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Wanderungen Durch Die Mark Brandenburg: Band 3, Havelland

Wanderungen Durch Die Mark Brandenburg: Band 3, Havelland

Titel: Wanderungen Durch Die Mark Brandenburg: Band 3, Havelland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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völlig abstreifen können, das hier langsam, aber siegreich nach Herrschaft gerungen hat. Dort zwischen Wasser und Weiden hin läuft ein Damm, im ersten Augenblicke nur wie eine braune Linie von unserem Turm aus bemerkbar; aber jetzt gewinnt die Linie mehr und mehr Gestalt; denn zischend, brausend, dampfend, dazwischen einen Funkenregen ausstreuend, rasseln jetzt von zwei Seiten her die langen Wagenreihen zweier Züge heran und fliegen – an derselben Stelle vielleicht, wo einst Jaczko und Albrecht der Bär sich trafen – aneinander vorüber. Das Ganze wie ein Blitz!
    Der Tag neigt sich; der Sonnenball lugt nur noch blutrot aus dem Grau des Horizonts hervor. Ein roter Schein läuft über die grauen Wasserflächen hin. Nun ist die Sonne unter, die Nebel steigen auf und wälzen sich von Westen her auf die Stadt und unsere Turmstelle zu. Noch sehen wir, wie aus dem nächsten Röhricht ein Volk Enten aufsteigt; aber ehe es in die nächste Lache niederfällt, ist das schwarze Geflatter in dem allgemeinen Grau verschwunden.
    Das Havelland träumt wieder von alter Zeit.
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Das Havelländische Luch
    Es schien das Abendrot
Auf diese sumpfgewordne Urwaldstätte,
Wo ungestört das Leben mit dem Tod
Jahrtausendlang gekämpfet um die Wette.
    Lenau

     
    Das Havelland, oder, mit andere Worten, jene nach drei Seiten hin von der Havel 1) , nach der vierten aber vom Rhin-Flüßchen eingeschlossene Havelinsel, bestand in alter Zeit aus großen, nur hier und dort von Sand- oder Lehmplateaus unterbrochenen Sumpfstrecken, die sich, trotz der mannigfachsten Veränderungen und Umbildungen, bis diesen Tag unter dem Sondernamen » das Havelländische Luch « oder auch bloß » das Luch « erhalten haben. Und sie haben in der Tat Anspruch auf eine unterscheidende Bezeichnung, da sie in Form und Art von den fruchtbaren Flußniederungen anderer Gegenden vielfach abweichen und zum Beispiel statt des Weizens und der Gerste nur ein mittelmäßiges Heu produzieren. Im großen und ganzen darf man vom »Luche« sagen, daß es weniger seine Produkte als vielmehr sich selbst zu Markte bringt – den Torf . Denn das Luch besteht großenteils aus Torf. Seitdem es aufgehört hat, ein bloßer Sumpf zu sein, ist es ein großes Gras- und Torfland geworden. Linum, der Hauptsitz der Torfgräbereien, ist das Newcastle unserer Residenz.
    Wie das Havelland den Mittelpunkt Alt-Brandenburgs bildet, so bildet das Luch wiederum den Mittelpunkt des Havellandes. Das letztere (das heißt also der west- und osthavelländische Kreis) ist ohngefähr fünfzig Quadratmeilen groß; in diesen fünfzig Quadratmeilen stecken die zweiundzwanzig Quadratmeilen des Luchs wie ein Kern in der Schale. Die Form dieses Kerns ist aber nicht rund, auch nicht oval oder elliptisch, sondern pilzförmig . Ich werde gleich näher beschreiben, wie diese etwas ungewöhnliche Bezeichnung zu verstehen ist. Jeder meiner Leser kennt jene Pilzarten mit kurzem dicken Stengel, die ein breites schirmförmiges Dach und eine große kugelförmige Wurzel haben. Man nehme den Längsdurchschnitt eines solchen Pilzes und klebe ihn auf ein kleines Quartblatt Papier, so wird man ein ziemlich deutliches Bild gewinnen, welche Form »das Luch« innerhalb des Havellandes einnimmt. Gleich der erste Blick wird dem Beschauer zeigen, daß das Luch aus zwei Hälften , aus einer schirmförmig-nördlichen und einer kugelförmig-südlichen, besteht, die beide da, wo der kurze Strunk des Pilzes läuft, nah zusammentreffen. Die schirmförmige Hälfte heißt das Rhin-Luch , die kugelförmige das Havelländische Luch . Das Verbindungsstück zwischen beiden hat keinen besonderen Namen. Dies verhältnismäßig schmale, dem Strunk des Pilzes entsprechende Verbindungsstück ist dadurch entstanden, daß sich von rechts und links her Sandplateaus in den Luchgrund hineingeschoben haben. Diese Sandplateaus führen wohlgekannte Namen; das östliche ist das zu besondrem historischen Ansehn gelangte »Ländchen Bellin«, das westliche heißt »Ländchen Friesack«. Diese beiden »Ländchen« sind alte Sitze der Kultur, und ihre Hauptstädte, Fehrbellin und Friesack, wurden schon genannt, als beide Luche, das Rhin-Luch wie das Havelländische, noch einem See glichen, der in der Sommerzeit zu einem ungesunden, unsicheren Sumpfland zusammentrocknete.
    Klöden hat den früheren Zustand der Luchgegenden sehr schön und mit poetischer Anschaulichkeit geschildert. Er schreibt: »Es war eine wilde Urgegend, wie die Hand der Natur

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