Wanderungen Durch Die Mark Brandenburg: Band 3, Havelland
des Turnerenthusiasmus hinter sich hat, pflegt deshalb auch die genannte Bahn zu benutzen, die ihn wochentags bis an die östlichen Vorlande des Waldes (Station Segefeld) oder sonntags in Extrazügen direkt bis an seine Eingänge führt.
Der Brieselang ist nicht mehr, was er war. In alten Tagen ging er über Quadratmeilen hin und füllte das ganze Territorium, das man damals als Alt-Bredow-Land bezeichnen konnte. Das Nauensche Luch, die Falkenhagenschen Wiesen, der Bredowsche Forst, das Pausinsche Bruch, alles war Brieselang, ein Elsbruch im großen Stil: im Frühjahr ein Sumpf oder See, im Sommer eine Prairie, zu allen Jahreszeiten aber von mächtigen Eichen, den »Brieselang-Eichen«, überragt, die um einen Schuh höher waren als alle anderen im Lande. Das ist nun anders geworden. In allen Teilen des alten Gebiets, zumal auch auf jener Strecke, die noch den alten Namen führt, haben sich die Elemente geschieden, aus weiten Sumpfstrecken, denen man die Elsen und Eichen nahm , sind weite Wiesenstrecken geworden, und aus anderen, denen man Elsen und Eichen hinzutat , sind regelrechte Waldreviere geworden. Nur da, wo Wald und Wiese miteinander grenzen und der Wald aus seinem Heerlager einzelne Posten in die weite Wiese hinausstellt, nur an diesen Stellen zeigt der Brieselang noch seinen alten Charakter, zumal im Frühjahr, wenn das Sumpfwasser steigt und sich wieder in Lachen und Lanken um die Elsenbüsche sammelt.
Der Brieselang ist eine schwindende Macht, an Terrain verlierend wie an Charakter, aber auch noch im Schwinden ehrwürdig, voll Zeichen alter Berühmtheit und alten Glanzes. Er besteht zur Zeit noch aus zwei Hälften, aus dem eigentlichen Brieselang und aus der Butenheide, von denen jener, mit dem Hauptpunkt »Finkenkrug«, die südliche, diese, die Butenheide, mit dem Hauptpunkt »Königseiche«, die nördliche Hälfte bildet. Da aber, wo beide Hälften zusammentreffen, inmitten einer Lichtung, erhebt sich die »Försterei Brieselang«, die als Zentralpunkt mit Recht den Namen des ganzen Waldes trägt.
In den Brieselang also!
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1. Finkenkrug
Es sauset und brauset
Das Tamburin,
Es rasseln und prasseln
Die Schellen darin.
Clemens Brentano
In Tagen sommerlicher Lust:
Mai, Juni, Juli und August,
vergeht kein Sonntag, wo nicht Scharen von Besuchern den Brieselang umschwärmten. Aber die Tausende, die kommen und gehn, begnügen sich damit, den Zipfel seines Gewandes zu fassen; die Parole lautet nicht »Brieselang«, sondern »Finkenkrug«. Und doch ist der Finkenkrug, an der südlichsten Stelle der Südhälfte gelegen, ein bloßes Portal, durch das man hindurch muß, um in die eigentliche Schönheit des Waldes einzutreten; nicht diesseits liegt die Herrlichkeit, sondern jenseits, und alles, was den Brieselang ausmacht, seinen Charakter, seine Erinnerungen, seine Schätze, alles liegt drüber hinaus. Der Finkenkrug ist nur erste Etappe. Wer den Brieselang kennenlernen will, der muß auch, rüstigen Fußes, die beiden andern Staffeln zu erreichen wissen: die Försterei und die Eiche . Nur erst, wer bei der »Königseiche« steht, der hat den Brieselang hinter sich und kann mitsprechen.
Wir tun's. Der geneigte Leser wolle uns folgen.
Es ist Sonntag vor Pfingsten. Wir haben den Elf-Uhr-Zug benutzt, und die Sonne steht bereits in Mittag, als wir landen. Wir sind zu drei: mein Reisebegleiter, ein pommersch Blut, ich selbst und als dritter unser Führer, ein Autochthone dieser Gegenden. Das Dreieck Spandau–Nauen–Kremmen umschließt seine Welt. Er ist hager und ausdauernd wie ein Trapper, erfahren und lederfarben wie »Pfadfinder«. Er versteht auch zu sprechen.
»Können Sie's glauben«, so hebt er an, »daß ich diese Straße seit zwanzig Jahren nicht gekommen bin. Ich fasse den Brieselang immer von Norden her, hier unten bin ich ein Fremder... Ja, vor zwanzig Jahren! Das war ein Tag, geradeso kalt, wie der heutige warm ist, und wir hatten Wahl in Finkenkrug.«
»Im Finkenkrug?«
»Ja, in Finkenkrug. Er mag dadurch poetisch verlieren, mehr verlieren, als er politisch gewinnt, aber ich kann es nicht ändern. Es war in Finkenkrug, und ich kam mit dem Falkenhagener Oberförster hier des Wegs. Die Pferde waren ganz weiß, der Wald glitzerte; ich habe kein Rotkehlchen gesehn, so tot war der Wald.«
»Und Sie kamen an und stießen aufs leere Nest. Jeder war zu Hause geblieben.«
»Fehlgeschossen. Viele Hunderte waren da, immer neue Schlitten fuhren an, und ehe eine halbe Stunde um war,
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