Warum auch nette Männer nicht zum Frühstück bleiben (German Edition)
kommentarlos ab. Ich schreibe es in der Person von Inez, lasse sie beim Bäcker, in der U-Bahn und abends in der Bar vergeblich nach Männern Ausschau halten und nenne es »Scheiße, ich glaub, heut hab ich einen echt geilen Typen verpasst«.
Volltreffer!
Am nächsten Morgen hat Inez meinen Text in ihr Tagebuch kopiert und dazu vermerkt, dass es ganz offenbar doch noch kreative Männer gibt, dazu blinkt eine amüsierte Replik in meinem Briefkasten. »Wer sagt’s denn«, befindet der Cowboy, »man muss ihn bloß erwischen, den richtigen Ton.«
Wir schreiben ein paar Tage. Inez ist gebürtige Spanierin, aber in Deutschland aufgewachsen, hat eine kleine Tochter von einem erfolglosen Schauspieler, für den sie ihre Redakteursstelle bei einer spanischen Nachrichtenagentur aufgegeben hat. Sie wurschtelt sich mit einem Halbtagsjob durch und ist der erste Mensch, dem ich das Date mit Christiane beichte. Inez zeigt sich erheitert, aber sie erweist sich als praktisch veranlagte Frau und schreibt: »Du brauchst keine Frau, das ist eh zu früh für dich. Du brauchst einen Coach, damit du dich hier nicht um deinen süßen Arsch datest.«
Ich antworte: »Du hast den Job!«
Und so lerne ich von Inez die zehn Gebote des Internetflirts.
Gebot Nummer 1
Nichts glauben, egal, was du liest.
Gebot Nummer 2
Nichts glauben, egal, was du siehst.
Gebot Nummer 3
Nicht verlieben, egal, was passiert.
Gebot Nummer 4
Nie gleich den Namen, die Telefonnummer oder die E-Mail-Adresse verraten, du wirst es in vier von fünf Fällen bitter bereuen.
Gebot Nummer 5
Immer auf ein aktuelles Foto bestehen, das nicht im Fotostudio aufgenommen wurde.
Gebot Nummer 6
Nie etwas erwarten, neun von zehn Dates enden eh als Fiasko.
Gebot Nummer 7
Nur mit Leuten verabreden, die schon vorher etwas Spannendes zu erzählen haben, dann wird’s wenigstens lustig.
Gebot Nummer 8
Nicht schummeln, weder beim Aussehen noch beim Gewicht, spätestens beim Date wird’s sonst peinlich.
Gebot Nummer 9
Beim ersten Mal maximal auf einen Kaffee verabreden, wenn’s geht, in einem Stehcafé, dann ist man schneller wieder draußen.
Gebot Nummer 10
In emotionalen Notfällen in den Supermarkt gehen, die anwesenden Frauen zählen und bei der Zehnten kurz darüber nachdenken, ob sie die eine große Liebe fürs Leben werden könnte, auch wenn sie 72 ist und eine Gehhilfe hat. Dies hilft, sich selbst zu verdeutlichen, wie gering die Chancen sind, im Internet die richtige Frau zu finden.
Das alles klingt recht plausibel, und ich frage flugs, ob Inez vielleicht ein schickes Stehcafé in ihrer Nähe weiß.
Sie schreibt zurück: »Setzen, Sechs! Wozu tipp ich mir hier eigentlich die Finger blutig, wenn du Anfänger es doch nicht liest?«
Ich zeige mich reuig.
Sie gibt mir eine E-Mail-Adresse, die so gar nichts mit ihrem Namen zu tun hat, auch dies werde ich mir für die Zukunft merken, dazu bekomme ich präzise Anweisungen. »Schick mir ein Foto. Ohne dieses alberne Fotohandy vor der Nase. Dann kriegst du eins von mir. Und dann darfst du auch gleich raten, wie alt ich wirklich bin.«
Eine Viertelstunde später sitze ich grübelnd vor ihrem Foto. Inez ist eine schöne Frau. Keine 29 mehr, wie es zu lesen war, aber ein Gesicht voller Anmut und Würde, in das das Leben die ersten, aber zarten Spuren gegraben hat. 34, 35, würde ich sagen und immer noch eine Klassefrau. »Keinen Tag älter als 23einhalb«, schreibe ich zurück und: »Samstagvormittag, du bestimmst das Café ...«
Ich bin geschlagene 30 Minuten zu früh. Die Baccara-Rose ist auffällig wie eine rote Pappnase, die Brötchen holenden Männer grinsen anzüglich, ein dreijähriger Junge zeigt mit dem Finger auf mich, seine Mama mustert mich voller Neugier und ich komme mir äußerst dämlich vor. Beim Versuch, mich unauffällig in die hinterste Ecke zu verdrücken, fege ich die Rose auch noch mit dem Ärmel vom Tisch. Inez kommt just in dem Moment, als ich mich nach dem stacheligen Scheißding bücke, und so ist das Erste, was sie von mir sieht, mein bereits latent gelichteter Hinterkopf. Sie räuspert sich, und als ich hochgucke, sagt sie: »Ich mag das, wenn Männer vor mir knien. Aber die meisten hatten bisher einen Ring dabei.« So spontan fällt mir keine Antwort ein, und so sehe ich zu, wie sie den Mantel öffnet, sich einmal rundherum dreht und »na, zufrieden?« fragt. Ich habe zwar einen Blick auf eine schmale Taille und zwei äußerst respektable Hupen erhascht, werde jetzt aber auch noch rot!
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