Warum Menschen töten: Eine Polizeipsychologin ermittelt (German Edition)
»Warum?« und »Wer hat so etwas getan?«. Wir müssen Antworten darauf finden – für die Angehörigen der Opfer, für die Öffentlichkeit, für die Angehörigen des Täters und für die Polizei.
Der Weg der Polizei führt immer von der Tat zum Täter. Um Täter zu ermitteln, ist es wichtig, die jeweilige Tat nachzuzeichnen und zu verstehen, warum sie in dieser Form begangen wurde. Möglicherweise wurde der Täter von Zeugen beobachtet, während er seinen Mord beging oder schon vorab, als er das Opfer oder den Tatort auskundschaftete. Möglicherweise hinterließ er Fingerabdrücke, Faserspuren, serologische Rückstände wie DNA . Eines hinterlässt ein Täter in jedem Fall: Spuren seines Verhaltens. Das kann er nicht vermeiden. Und die Art, wie er seine Tat begeht, kann Hinweise geben auf seine Persönlichkeitsstruktur und seine Handlungsmotive. Im besten Fall liefert sie Ansatzpunkte darüber, wen wir suchen müssen. Denn entlang dieser Fragen verläuft unser Weg: Was hat der Täter getan? Warum hat er das getan? Wer tut so etwas?
Neben wissenschaftlichen Disziplinen wie der Biologie, Chemie, Physik und Rechtsmedizin kommt hier auch der Kriminalpsychologie große Bedeutung zu – der Wissenschaft, die sich mit der Beschreibung, Erklärung, Vorhersage und Beeinflussung von kriminellem Verhalten befasst.
Die wahren Geschichten in diesem Buch sind besondere, herausragende Fälle, die ich ausgewählt habe. Es sind Kriminalfälle, die mich besonders berührt und auch geprägt haben. Sie bilden nicht meinen Alltag ab. Aber sie skizzieren die Rolle eines Psychologen bei der Einsatz- und Ermittlungsunterstützung. Sie zeigen auf, mit welchen Fragestellungen Polizei und Psychologie konfrontiert werden, auf welch geringer Informationsbasis wir manchmal Einschätzungen vornehmen und Entscheidungen fällen müssen, wie sich die Zusammenarbeit gestaltet und zu welchen Hypothesen und Ergebnissen wir kommen. Sie zeigen auch auf, wie unterschiedlich jeder Einsatz für uns bei der Polizei ist, es ist ein immer neues Zusammenspiel mit Tat und Täter, Opfer und Angehörigen, Öffentlichkeit und Medien.
Jeder Beteiligte hat seine eigene Perspektive, die wir berücksichtigen müssen. Für die Polizei sind es »Fälle«, »Einsatzlagen«. Für den Täter ist es seine Tat mit ihrer ganz individuellen Vorgeschichte und deren Folgen. Für die Opfer und deren Angehörige sind es oft Traumata, die ihr weiteres Leben stets begleiten und in unterschiedlicher Ausprägung bestimmen werden.
Um eine mir immer wieder gestellte Frage zu beantworten: Ja, ich nehme manche Fälle auch mit nach Hause. Ich leide in einigen Fällen mit. Ich beschäftige mich mit einigen Fällen Tag und Nacht, auch mit der Frage, ob ich alles richtig gemacht habe, ob ich etwas vergessen oder übersehen haben könnte, oder ob ich etwas hätte besser machen können.
Ja, ich hätte auch manches besser, manches anders machen können und auch müssen.
Das Lernen hört nicht auf.
Besonders glücklich bin ich, dass ich mit Polizeibeamten und -beamtinnen im Team zusammenarbeiten kann. Wir lernen miteinander und voneinander. Gerade die Verbindung der Wissens- und Erfahrungswelten dieser beiden unterschiedlichen Professionen liefert einen wichtigen Beitrag zum Schutz von Opfern.
Jeder Tag birgt neue Herausforderungen. Es ist kein Abarbeiten eines Planes oder einer Checkliste, sondern ein ständiger Abgleich, ob mein verfügbares Instrumentarium für einen bestimmten Fall ausreicht, ob mein Wissen noch aktuell ist, ob wir weitere Spezialisten heranziehen müssen oder ob wir uns ein Themenfeld neu erarbeiten müssen. Die Realität schreibt immer neue, spannende Geschichten.
Denise
Die Mutter hat ein kleines Nachthemd mitgebracht. Als wolle sie ihre Tochter gleich ins Bett bringen. Sie wird das Nachthemd nicht brauchen. Ich glaube, sie ahnte das bereits, als wir sie mitten in der Nacht anriefen und ihr anboten, sie ins Präsidium zu holen. »Sie können bestimmt genauso wenig schlafen wie wir, da ist es vielleicht praktisch, wenn Sie bei uns sind, falls wir noch Fragen haben oder sich etwas Neues ergibt«, sagte der Kripochef zu ihr. Wahrscheinlich spürte sie da schon, was die Wahrheit war.
Wir wollen sie der Mutter lieber hier im Präsidium sagen als bei ihr zu Hause, in dem Plattenbau, wo die Kamerateams, Fotografen und Journalisten vor der Haustür ebenfalls auf die Wahrheit warten. Die meisten Menschen wollen die Wahrheit wissen. Aber die Täter wollen selten, dass
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