Warum Nationen scheitern: Die Ursprünge von Macht, Wohlstand und Armut (German Edition)
nur, dass die inklusiven Institutionen in den sechs Gründerstaaten überlebten und gediehen, sondern sie dienten auch als Fundament für den Übergang zu inklusiveren Institutionen in Ländern wie Griechenland, Portugal und Spanien, die sich von ihren repressiven Diktaturen erholten und, nach 1989, in den osteuropäischen Staaten, die sich vom Kommunismus lösten.
Folglich ist es keine Übertreibung, die Europäische Union als Bollwerk für Frieden und Stabilität zu bezeichnen, auf das sich die inklusiven nationalen Institutionen und der umfassende wirtschaftliche Wohlstand im Nachkriegseuropa gründen.
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Wenn es stimmt, dass die Institutionen den Schlüssel zum Verständnis des Wachstums der Nachkriegszeit liefern und die Europäische Union das Zentrum der kontinentalen Institutionen bildet, stehen wir dann kurz davor, das ganze Gebäude zusammenbrechen zu sehen?
Zurzeit kann man beim Gedanken an die Zukunft Europas verzweifeln. Es sind schwerwiegende Wirtschaftsprobleme entstanden, und es scheint an dem politischen Willen zu fehlen, den Euro zu retten oder die Europäische Union zu stärken, indem man glaubwürdige Schritte zur fiskalischen und politischen Zentralisierung, einschneidende Reformen der verbliebenen extraktiven wirtschaftlichen und politischen Institutionen alten Stils sowie kurzfristige makroökonomische Maßnahmen unternimmt, um das Abgleiten mehrerer Randstaaten in eine umfassende Depression zu verhindern. Gleichwohl stimmen uns die Lektionen, die man aus diesem Buch lernen kann, optimistisch.
Jegliche Institutionen, sogar durch und durch inklusive, können durch Krisen und Herausforderungen geschwächt werden – ähnlich wie die Weimarer Republik von ihren Gegnern und denen, die sich vor inklusiven Institutionen fürchteten, vernichtet wurde oder wie die inklusiven politischen Institutionen Venedigs den wirtschaftlich mächtigen Familien zum Opfer fielen, welche die Wettbewerbsbedingungen zu ihren eigenen Gunsten verzerren wollten (siehe sechstes Kapitel). Doch ihrem Wesen nach erzeugen inklusive Institutionen ein Feedback, eine Art Tugendkreis, der sie in den Stand versetzt, auszuhalten und sich Herausforderungen zu stellen. Wenn weiten Kreisen der Gesellschaft wirtschaftliche Anreize und Chancen geboten werden, dann gilt das Gleiche auch für Einkommen, Wohlstand und politische Macht. Dadurch wird die politische durch die wirtschaftliche Inklusivität gestärkt. Auf ähnliche Art sorgt die Verteilung politischer Macht auf breite Bevölkerungskreise in der Regel dafür, dass Wirtschaftsinstitutionen inklusiv werden. Im elften Kapitel zeigen wir, wie amerikanische und britische inklusive Institutionen im 19. und frühen 20. Jahrhundert mit großen Herausforderungen fertig wurden.
Die Herausforderung in Europa ist nicht durch fundamentale strukturelle Mängel oder durch die Inklusivität seiner Institutionen entstanden, sondern durch die Finanzkrise und die sich anschließende schwere Rezession, durch welche die bereits bestehenden Verwerfungen noch vertieft wurden. Ein bedeutender Teil des Problems besteht in den tatsächlichen oder von den Finanzmärkten so wahrgenommenen impliziten Garantien für die Staatsschulden sämtlicher europäischer Länder – als wären all diese Schulden so sicher wie die der Bundesrepublik, selbst wenn die dortigen Politiker gewaltige Schuldenberge aufgehäuft haben. Dies förderte eine unhaltbare Expansion der Kapitalströme in Richtung von Ländern, in denen noch keine inklusiven Institutionen Fuß gefasst haben und wo die politischen Eliten weiterhin in der Lage sind, die Regeln zu ihrem eigenen Vorteil und dem ihrer Anhänger zu verdrehen.
Die Beschäftigung mit diesen Problemen wird schmerzhaft sein und unzweifelhaft zum Aufstieg aller möglichen populistischen Politiker, von links wie von rechts, führen, die versuchen werden, die Inklusivität umzukehren. Trotzdem bleiben wir optimistisch, denn die inklusiven Institutionen der europäischen Staaten und der Europäischen Union leisten den Hauptwiderstand gegen ihr eigenes Verderben und stellen die Basis dar, auf welcher die für die Stärkung Europas erforderlichen Entscheidungen getroffen werden können.
Was getan werden muss, ist kein großes Geheimnis, doch es kommt darauf an, den geeigneten politischen Weg zu finden. Die Parallele zu den Vereinigten Staaten zwischen den Konföderationsartikeln von 1781 und der Ratifizierung der US-Verfassung von 1788 liegt auf der Hand. Damals waren die
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