Warum Nationen scheitern: Die Ursprünge von Macht, Wohlstand und Armut (German Edition)
Unterdrückung und schlechter Ausbildung. Wir leben in einem bestechlichen System, das sich ändern muss.« Ein zwanzigjähriger Mitdemonstrant, der Pharmaziestudent Mosaab el-Shami, stimmte ihr zu: »Ich hoffe, dass wir bis Jahresende eine gewählte Regierung haben, dass die Grundfreiheiten gelten und wir der Korruption, die von diesem Land Besitz ergriffen hat, ein Ende setzen können.«
Die Protestierenden auf dem Tahrir-Platz äußerten sich einmütig über die Bestechlichkeit der Regierung, ihr Unvermögen, öffentliche Dienstleistungen bereitzustellen, sowie über die Chancenungleichheit in ihrem Land. Vor allem beklagten sie sich über Repressionen und das Fehlen politischer Rechte. So schrieb Mohammed el-Baradei, der frühere Generaldirektor der Internationalen Atomenergiebehörde, am 13. Januar 2011 auf Twitter: »Tunesien: Repression + Fehlen sozialer Gerechtigkeit + Verweigerung der Mittel zu friedlichem Wandel = eine tickende Bombe.« Ägypter wie Tunesier waren der Ansicht, dass ihre Wirtschaftsprobleme im Wesentlichen auf ihren Mangel an politischen Rechten zurückzuführen seien. Als die Demonstranten ihre Forderungen systematischer vorbrachten, konzentrierten sich die ersten zwölf unmittelbaren Wünsche auf den politischen Wandel. Veröffentlicht hatte sie der Programmierer und Blogger Wael Khalil, der zugleich einer der Führer der ägyptischen Protestbewegung war. Fragen wie die Erhöhung des Mindestlohns erschienen lediglich unter den Übergangsregelungen, die später verwirklicht werden sollten.
Die Dinge, welche die Ägypter nach ihrer eigenen Einschätzung bremsen, sind ein ineffektiver und korrupter Staat sowie eine Gesellschaft, in der sie ihre Begabung, ihren Ehrgeiz, ihren Einfallsreichtum und die ihnen zugängliche Ausbildung nicht nutzen können. Sie wissen, dass die Wurzeln dieser Probleme politisch sind. Alle wirtschaftlichen Hindernisse im Lande entstehen durch die Art, wie die politische Macht in Ägypten durch eine kleine Elite ausgeübt und monopolisiert wird. Ihnen ist klar, dass sich das als Erstes ändern muss.
Doch damit weichen die Protestierenden auf dem Tahrir-Platz stark von der gängigen Meinung zu diesem Thema ab. Die meisten Wissenschaftler und Kommentatoren verweisen auf völlig andere Faktoren, wenn sie erörtern, warum ein Land wie Ägypten arm ist. Manche meinen, dass die Armut Ägyptens in erster Linie von seiner geographischen Lage abhänge, von der Tatsache, dass das Land hauptsächlich aus Wüste bestehe, wo keine ausreichende Regenmenge falle, und dass seine Böden und sein Klima keine ertragreiche Landwirtschaft zuließen. Andere unterstreichen die kulturelle Prägung der Ägypter, die der Wirtschaftsentwicklung und dem Wohlstand angeblich schaden würden. Die Ägypter, behaupten sie, hätten nicht die Arbeitsethik und die kulturell geprägten Eigenschaften, durch die andere erfolgreich gewesen seien; vielmehr hätten sie islamische Überzeugungen akzeptiert, die dem wirtschaftlichen Erfolg widersprächen. Eine dritte Betrachtungsweise, die unter Ökonomen und Politikexperten vorherrscht, beruht auf dem Gedanken, dass die Herrscher Ägyptens schlicht nicht wüssten, wie sie ihrem Land zu Wohlstand verhelfen können, und in der Vergangenheit untaugliche Taktiken und Strategien eingeschlagen hätten. Wenn die richtigen Experten diesen politischen Führern die richtigen Ratschläge erteilten, so die Annahme, dann werde der Wohlstand folgen. Solchen Wissenschaftlern und Politikexperten scheint die Tatsache, dass Ägypten von kleinen Eliten beherrscht worden ist, die ihr Schäfchen auf Kosten der Gesellschaft ins Trockene gebracht haben, für das Verständnis der Wirtschaftsprobleme des Landes bedeutungslos zu sein.
Im vorliegenden Buch werden wir den Standpunkt vertreten, dass die Ägypter auf dem Tahrir-Platz und nicht die Mehrheit der Wissenschaftler und Kommentatoren recht haben. In Wirklichkeit ist Ägypten genau deshalb arm, weil es von einer kleinen Elite beherrscht wurde, welche die Gesellschaft auf Kosten der großen Mehrheit der Bevölkerung zu ihrem eigenen Vorteil organisiert hat. Die politische Macht konzentrierte sich in wenigen Händen und diente dazu, Reichtümer für die Regierenden zu schaffen, etwa ein Vermögen in Höhe von 70 Milliarden Dollar, das Expräsident Mubarak anscheinend anhäufte. Die Verlierer waren die ägyptischen Bürger, wie sie nur zu gut wissen.
Wir werden zeigen, dass diese Deutung der ägyptischen Armut durch das
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