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Was am Ende bleibt

Was am Ende bleibt

Titel: Was am Ende bleibt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paula Fox
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erwiderte Sophie. Mike ließ sie mit einem Klaps auf den Rücken und einem Nicken stehen, das besagte, daß er wiederkommen werde. Einer der jungen Männer fing an, sich das Haar zu kämmen. Sophie ging in das lange Wohnzimmer. Ein Fernsehkomiker, den sie schon einmal bei den Holsteins getroffen hatte, hielt eine Rede inmitten einer Gruppe sitzender Leute, von denen ihm niemand große Aufmerksamkeit schenkte. Mit einer Stimme, die wahnsinniges Selbstbewußtsein ausdrückte, berichtete er, daß er, seit er sich seinen Bart habe wachsen lassen, keine gekochten Getreideflocken essen könne, ohne wie ein Schwein auszusehen. Als niemand lachte, strich er sich über die Stoppeln auf Kinn und Wangen. «Im Ernst!» rief er. «Diese Kids von heute sind wunderbar! Selbst ihr Haar drückt etwas aus! Ich will leben und lieben und ich selbst sein. Das ist die Botschaft! Im Ernst.» Er war klein und rundlich, und seine Haut glänzte wie Speck.
    «Eine richtige Goj-Party», sagte jemand über Sophies Schulter hinweg. Sie drehte sich um und sah ein Pärchen Anfang zwanzig. Das Mädchen trug einen weißen Lederanzug, der Junge eine Armeejacke voller Buttons, wie Augäpfel geformt und bemalt, die aus dem Nichts ins Nichts starrten. Sein Kopf mit dem krausen Haar, das in alle Richtungen abstand, sah aus wie ein schamhaarbewehrtes Folterrad. Das Mädchen war schön – jung und makellos. Ihr bernsteinfarbenes Haar reichte ihr bis zur Taille. Um einen Knöchel trug sie einen schweren Reifen.
    «Ich habe mindestens drei Juden gesehen», sagte Sophie.
    Sie lächelten nicht. «Eure Partys sind so pädagogisch», sagte das Mädchen.
    «Es ist nicht meine Party», entgegnete Sophie.
    «Doch, es ist eure Party», sagte der Junge scharfsinnig. «Sache eurer Generation.»
    «Ach, du lieber Himmel!» sagte Sophie lächelnd.
    Sie sahen einander an. Der Junge berührte das Haar des Mädchens. «Sie ist eine ganz Schlimme, nicht wahr?» Das Mädchen nickte langsam.
    «Ihr seid wohl Freunde von Mike junior?» fragte Sophie. Mike junior schlingerte durch das New York Community College und versetzte den Haushalt der Holsteins jedes Semesterende in Angst und Schrecken. Würde er noch einmal dorthin zurückkehren?
    «Komm, wir hauen ab», sagte der Junge. «Wir müssen noch Lonnie oben in St. Luke’s besuchen.»
    «Im Krankenhaus?» fragte Sophie. «Für die Besuchszeit ist es zu spät.»
    Sie blickten sie an, als hätten sie sie nie zuvor gesehen, dann trotteten beide leise, weder nach links noch nach rechts blickend, aus dem Wohnzimmer. «Das ist ein schöner Fußreif!» rief Sophie. Das Mädchen schaute aus dem Flur zurück. Einen Moment schien es, als würde sie lächeln. «Er tut mir beim Tragen weh», schrie sie. «Bei jeder Bewegung tut er weh.»
    Otto lehnte gegen eine Wand und blickte nach oben, auf das Kinn einer kräftig gebauten Frau in Hose und Jackett. Es war eine englische Dramatikerin, eine Freundin von Flo, die ausschließlich in Versform schrieb. Otto hielt, wie Sophie im Vorübergehen bemerkte, eine Hand gegen die Holztäfelung gepreßt.
    «Wir alle sterben vor Langeweile», sagte die Frau. «Der Grund der Kriege, der Grund der Morde, der Grund der Gründe: Langeweile.»
    «Die Jüngeren sterben vor Freiheit», sagte Otto mit einer Stimme, die vor Beherrschung ganz matt klang.Sophie fing seinen Blick auf. Er schüttelte ganz leicht den Kopf.
    «Die Jungen werden uns retten», sagte die Frau. «Es sind die Jungen, dem toten Gott sei Dank, die uns retten werden.»
    «Sie sterben an dem, mit dem sie sich zu heilen versuchen», sagte Otto.
    «Sie sind ein
Spießer
!» sagte die Frau und beugte sich ein wenig herab, um ihm ins Gesicht zu sehen.
    «Hallo, Suzanne», sagte Sophie. «Ich habe gerade jemanden sagen hören: ‹
I’m crashing
.› Was bedeutet das?» Sie bemerkte, daß sie eine geheuchelt-naive Miene aufgesetzt hatte. Es war unterschwellig beleidigend, und sie hoffte, Suzanne würde die Spitze fühlen.
    «Im heutigen Sprachgebrauch», erklärte Suzanne großmütig, «bedeutet es entweder, daß man bei jemandem auf der Bude übernachten will oder daß man von einem Drogentrip runterkommt.» Sie machte eine Verbeugung vor Otto und entfernte sich. Sie sprach selten mit Männern, wenn andere Frauen in der Nähe waren.
    «Mein Gott!» rief Otto aus. «Der Versuch, ihren Redefluß zu stoppen, kommt dem Versuch gleich, eine Zeitung unter einen Hund zu schieben, bevor er kotzt!»
    «Ich kann es nicht ausstehen, wenn du so daherredest!

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