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Was am Ende bleibt

Was am Ende bleibt

Titel: Was am Ende bleibt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paula Fox
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in bezug auf ihr Erinnerungsvermögen gegenseitig zu übertrumpfen. Das beweist nur, wie alt wir alle sind.»
    «Man muß sich halt anstrengen.»
    «Was hast du oben mit Mike gemacht?»
    «Er hat wegen des Katzenbisses bei ein paar Ärzten angerufen.»
    «Meint er, du solltest jemanden konsultieren?» fragte er beunruhigt.
    Sie hielt ihre Hand hoch. «Schau, wie geschwollen sie ist!» sagte sie. Sie ließ ihre Finger spielen und stöhnte. «Wenn ich sie ins Wasser lege, geht die Schwellung vielleicht zurück.»
    «Was hat der Arzt gesagt?»
    «Es war keiner da. Weißt du nicht, daß man an keinen Arzt mehr herankommt? Weißt du nicht, daß dieses Land vor die Hunde geht?»
    «Nur weil man am Freitagabend keinen Arzt erreicht, bedeutet das noch nicht, daß das Land vor die Hunde geht.»
    «O doch. In ihrem Schlafzimmer lag ein Stein. Jemand hat einen Stein durch das Fenster geworfen. Es muß passiert sein, kurz bevor wir gekommen sind. Irgend jemand hat irgendwo einen Stein aufgehoben und durch das Fenster geworfen!» Während sie sprach, ergriff sie seinen Arm, und jetzt, als sie verstummte, packte sie ihn noch fester, so, als könne nur ihre Hand die Last ihrer Gedanken weitertragen.
    «Es ist schrecklich», sagte er. Das Taxi stand mit laufendem Motor. Otto sah, daß sie zu Hause waren. Er bezahlte den Fahrer. Sophie, die plötzlich von der vagen, aber starken Überzeugung beseelt war, daß sie wisse, warum alles so falsch lief, rannte die Stufen hinauf. Aber sie mußte auf Otto warten; sie hatte keine Schlüssel. Er stieg langsam die Stufen empor, den Blick auf das Wechselgeld in seiner Hand geheftet. Sophies Energieschub, der so überraschend war, daß er bis an die Schmerzgrenze ging, war im Nu verflogen. Als sie den dunklen Flur betraten, läutete das Telefon.
    «Wer …?» setzte er an. «Mitten in der Nacht», sagte sie, während Otto zum Telefon ging. Aber er rührte esnicht an. Es läutete noch dreimal, dann schob sich Sophie an ihm vorbei und griff nach dem Hörer. Otto ging in die Küche und öffnete den Kühlschrank, «Ja?» hörte er sie sagen. «Hallo, hallo, hallo?»
    Niemand antwortete, aber es war ein leises Klopfen zu vernehmen, als hätte die Dunkelheit eine Stimme, die die Leitung entlanghämmerte. Dann hörte sie jemanden ausatmen.
    «Irgendein Perverser», sagte sie laut. Otto hielt in einer Hand ein Stück Käse und gestikulierte mit der anderen in ihre Richtung. «Leg auf! Um Gottes willen, leg auf!»
    «Ein Perverser», sagte sie in die Muschel. «Ein amerikanischer Idiot.» Otto stopfte sich den Käse in den Mund, dann riß er ihr den Hörer aus der Hand und knallte ihn auf die Gabel. «Ich weiß nicht, was mit dir los ist!» rief er.
    «Du könntest fragen», sagte sie und begann zu weinen. «Diese Katze hat mich vergiftet.» Sie drehten sich zur Hintertür um.
    «Mein Gott! Sie ist wieder da!» rief sie aus.
    Ein grauer Schatten kauerte unten an der Tür, auf die Otto, mit den Händen wedelnd, zulief, und er rief: «Hau ab!» Die Katze hob langsam den Kopf und blinzelte. Sophie schauderte. «Morgen rufe ich den Tierschutzverein an», sagte Otto. Die Katze stand auf und streckte sich. Während sie erwartungsvoll zu ihnen aufblickte, sahen sie ihr weit geöffnetes Maul. «Das ist wirklich zuviel!» murmelte Otto. Er schaute sie vorwurfsvoll an.
    «Wenn ich sie nicht füttere, wird sie es aufgeben», sagte sie milde.
    «Wenn du zuläßt, daß sie …» Er schaltete die Wohnzimmerlampe aus.
    «Warum hast du das Telefon nicht abgenommen?» warf sie ihm zurück, während sie die Treppe hinaufgingen. «Du wirst allmählich so exzentrisch wie Tanya.»
    «Tanya! Ich denke, Tanya hat ihr ganzes Leben am Telefon verbracht.»
    «Sie ruft nur noch an, wenn sie gerade eine Liebesaffäre beendet hat.»
    «Liebesaffäre», schnaubte er und folgte Sophie den Flur hinunter in ihr Schlafzimmer. «Tanya und Liebe!»
    «Auf jeden Fall ruft sie Leute an.»
    «Ich hasse Tanya.»
    Sie standen sich neben dem Bett gegenüber. «Das hast du mir nie gesagt», sagte sie. «Ich habe dich niemals sagen hören, daß du irgend jemanden haßt.»
    «Mir ist es gerade klar geworden.»
    «Und was ist mit Claire?»
    «Claire ist in Ordnung. Warum kümmert es dich, was ich von Tanya halte? Du magst sie selber nicht. Du siehst sie ja kaum.»
    «Ich sehe fast niemanden.»
    «Warum drehst du es so hin, als sei das meine Schuld?»
    «Du hast mir nicht erklärt, warum du das Telefon nicht abgenommen hast», sagte sie

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