Was bisher geschah
Bedeutung als »Neolithische Revolution« bezeichnet: In dieser jungsteinzeitlichen Revolution ab rund 10 000 v. Chr. fangen Menschen an, Ackerbau zu betreiben und Vorräte anzulegen. Warum genau sie das tun, wird bis heute von Historikern diskutiert. Mal heißt es, die Menschen hätten es sich gegen Ende der letzten großen Kältephase um 10 000 v. Chr. unter milder werdenden Klimabedingungen sozusagen gemütlich gemacht. Oder es wird, umgekehrt, argumentiert, dass die Menschen durch die Verknappung des Wildes und damit der Jagdbeute dazu gezwungen gewesen seien, mühsam zu haushalten und Getreide zu kultivieren. Dann wieder vermutet man, hinter der Sesshaftwerdung stecke schlicht der Wunsch der Menschen, in größeren Gruppen zusammenzuleben, ein Streben nach kultureller und sexueller Vielfalt.
Bild 1
Venus von Willendorf, Kalksteinskulptur, um 25 000 v. Chr.
Manche Wissenschaftler meinen sogar, dass nicht die Suche nach Nahrungsmitteln, Sozial- und Sexualkontakten ausschlaggebend für die Sesshaftwerdung gewesen sei, sondern die Entdeckung von Rauschmitteln: Da man etwa die Pflanzen zur Haschisch- und Alkoholgewinnung sorgsam anbauen, verarbeiten und die Produkte lagern muss, bleibt man dieser Theorie zufolge, wo man ist. So führt man ein solides Leben auf einem klar umrissenen Gebiet mit Nachbarn, die man jeden Morgen grüßt, gegen die man zuweilen aber auch Kriege um Land und Besitz vom Zaun bricht.
Hatte der Mensch schon vor der Sesshaftwerdung den Wolf zum Haushund gezähmt, züchtet er nun Schweine und Rinder aus wilden Tieren. Die Haustiere geben zwar immer mehr Fleisch her, sind aber weniger fit als die durchtrainierten Wildtiere. Letzteres gilt auch für die sesshaften Menschen. Zudem bringt der Getreideanbau zunächst eine weniger vielfältige Ernährung und damit Mangelerkrankungen und Karies mit sich, wegen der verstärkten Aufnahme von Kohlenhydraten. Immerhin tragen frühe Start-up-Unternehmer wie Bergleute und Schmiede dazu bei, dass neben dem Stein auch Gold und Kupfer verwendet – und gehandelt – werden. Im 3. Jahrtausend v. Chr. kommt Bronze dazu, die härter ist und zugleich leichter schmelzbar.
Die Sesshaftwerdung ist insofern ein ungeheurer Einschnitt in Sachen Lebensstil, als es nun nach Millionen Jahren weitgehender Besitzlosigkeit verstärkt Privateigentum gibt, immer größere Hütten, zunehmend prunkvolle Kleidung, Schmuck, Waffen – Statussymbole im heutigen Sinn. Mit der Vorratshaltung, der Vergrößerung menschlicher Gemeinschaften und dem entsprechend gesteigerten Konfliktpotential einher geht der Wunsch nach Ordnung und Organisation. Es entwickeln sich ausgeklügelte hierarchische Strukturen und Herrschaftssysteme.
KAPITEL EINS
Vom Alphamann zum Alphabet
Ägypten, Mesopotamien und Palästina – die frühen Hochkulturen im Nahen Osten: Schrift ist Macht
Bildungsexperten schlagen Alarm: Nur noch etwa eine Stunde täglich verbringen wir zu Beginn des 21. Jahrhunderts im Durchschnitt mit Lesen. Was noch schlimmer scheint: Davon entfallen gerade mal 15 Minuten auf ein Buch, die restlichen 45 auf das unkonzentrierte Querlesen von Zeitungen, Werbung und Internetseiten. Von den 16- bis 29-Jährigen bezieht sogar schon ein größerer Teil »Bildung und Wissen« eher aus dem Fernsehen als aus Büchern. Vom Ende der Lesekultur ist die Rede, einer verstärkten Hinwendung zu Bildern (»iconic turn«) und dem gesprochenen Wort. Besorgniserregend ist das insofern, als zahlreiche Studien zeigen: Wer längere Texte richtig liest, kann auch besser denken, kann Probleme erkennen, analysieren und lösen.
Andererseits ist der Mensch gar kein Lesewesen. Er ist nicht dafür gemacht, stundenlang mit geknicktem Nacken vor Kleingedrucktem zu sitzen. Das verursacht Haltungsschäden, Verdauungsprobleme und ist schlecht für die Augen. Lesen lässt nichtige Probleme unnötig groß erscheinen. »Wer viel studiert, wird ein Phantast!«, heißt es schon in einem der erfolgreichsten Bücher der Weltgeschichte, Sebastian Brants Narrenschiff (1494), im Kapitel »Von unnützen Büchern«. Und im 4. Jahrhundert v. Chr. warnt Platon, einer der ersten Philosophen des Abendlandes, deren Ideen umfassend durch Schriften verbreitet wurden, vor der Lesefixierung: In seinem Werk Phaidros betont er, dass das Geschriebene nur ein »Nachbild« vom »lebendigen« und »beseelten Wort« sei. Bei der Lektüre fehle die Möglichkeit zur Klärung von Missverständnissen zwischen Autor und Leser, zum
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