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Was weiß der Richter von der Liebe

Was weiß der Richter von der Liebe

Titel: Was weiß der Richter von der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Ungerer
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Umfeld des besagten Ausflugssees, durch den träge sich die Spree schiebt. Irgendwo dort, im Berliner Endzipfel Friedrichshagen oder inMüggelheim oder gar im Fischromantikflecken Rahnsdorf, wollen wir ihn im Verborgenen schuften sehen, in einem bürgerlichen Gasthof vielleicht, Schnitzel klopfend, Zwiebeln schnippelnd, ohne zu weinen, keine Frau, keine Familie, dafür aber ein am Rande des Lebensweges zusammengestoppeltes Vorstrafenregister: eine Beihilfe zur Unfallflucht hier, eine Körperverletzung dort, Beleidigung ist auch dabei, und eine Einfuhr von Betäubungsmitteln aus Holland, von der selbst der Richter des heutigen Prozesses sagt: Bei einer Strafe von nur zwanzig Tagessätzen kann das die Welt nicht gewesen sein.
    Ach, die Welt. Die Welt ist es nie gewesen für Marco Juncker, wie wir ihn heute in Ansätzen kennenlernen und uns den Rest zusammenbasteln: Für ihn ist das Leben bis hierher der Müggelsee gewesen, so, wie er es für die Schifferknechte gewesen ist, die an seinem Rand auf Stroh schlafen mussten und von denen Fontane mutmaßte, sie seien »wohl die letzten, sich dieses Zaubers zu freuen«.
    Nein, von Zauber ist keine Rede bei Marco Juncker, er ahnt nichts von den bösen Götzen in der Tiefe, als er am 1. Mai des Jahres 2004 sein Motorboot über den Müggelsee steuert, »zwee Damen an Bord, die dringend aufs Klo mussten«. Das ist der hiesige Glamour: Flitzeboot, Weiblichkeiten, keine Sanitäranlagen. Wäre dies das offene Meer, so könnte man ja ein Stück rausfahren, über Bord springen und, nonchalant planschend, Wasser zu Wasser werden lassen. Auf einer solchen Binnenmüggel aber kneift man doch lieber die Beine zusammen und sputet sich heimwärts, sonst bekommt man etwas zu hören. Denn man ist jagar kein Filmstar oder Konsul, man ist ja nur der Koch mit dem Monatseinkommen von 900 Euro, und wenn wir an dieser Stelle alles mal zu Ende vermuten dürfen, dann sind die »zwee Damen« auch viel weniger Bondgirls als eher die beiden Cousinen aus Leipzig – etwas in dem Stil.
    Eilig drängt man also dahin, die Gischt spritzt weithin gut sichtbar, man hat den Blasendruck der Verwandtschaft im Nacken, ist vielleicht noch angegriffen vom wilden Geistertreiben der Walpurgisnacht – und also dem Necken der Heidnischen schutzlos ausgeliefert. Es äußert sich als eine vage Empfindung, als man »auf Gleitfahrt kommt« (etwas zu schnell wohl); als ein Gefühl des Gejagtseins, das man im Nachhinein einer angenommenen Zivilstreife zuordnet; als eine Gewissheit, »dass ich immer mehr verfolgt werde«. Da bekommt man »innerlich Panik«. Da »willste nur noch nach Hause«. So nimmt das Unheil seinen Lauf, das Motorendröhnen überdeckt jedes leise Kichern, welches eventuell aus den Fluten klingen mag, und wie vom Teufel gekniffen prescht man an der kleinen Landzunge vorbei, die am Ostende des Sees die Müggelspree deckt und wo justament jetzt am ASB-Rettungsboot 48-2 herumgeschraubt wird: Kfz-Meister Thomas Pörschke baut eine Pumpe am Motor aus, hat zu diesem Zwecke die hundert Kilo schwere Abdeckplatte hochkant auf Deck gestellt, sonst ist ja nirgends Platz dafür. Nun hört er das Dröhnen, »Wellenschlag vermeiden« mahnt mit Recht ein Riesenschild, und schon ist es fast zu spät: Die Hundert-Kilo-Stahlplatte kommt ins Wanken, ins Schwanken, kippt … und kann im letzten Moment gehalten werden von hinzustürzenden Kameraden.Dann ist Herr Juncker hinter dem Rettungsboot vorbei gebrettert, zu schnell, zu nah. Hinterdrein schippert eine Streife Zivilpolizei, Videokamera im Anschlag. Die hat Herrn Juncker nämlich tatsächlich verfolgt.
    So sieht ihr Film aus: viel graues Wasser, noch mehr stupides Dröhnen, die Wasserschutzpolizisten fahren hinter irgendetwas her und rufen sich des Weiteren irgendetwas zu. Das ist die wilde, verwegene Jagd nach dem Geschwindigkeitsüberschreiter, der flüchten kann, soviel er will, man wird ihn eh an seinem Steg zu fassen bekommen. Monoton durchbrummt der Motor noch den Gerichtssaal, der Richter macht recht ernsthafte Miene dazu, und um 17: 42:00 Filmzeit herum gerät der Anleger in den Blick. Das Motorboot liegt friedlich da, die angelandeten Damen stehen etwas ratlos auf dem Steg herum und schauen nach unten ins Wasser. Erst im Annähern der Kamera erkennen wir den Koch Marco Juncker: Bis zum Bauch steht er in der Müggel, will von allem nichts wissen, ruft den Beamten zu: »Nee, nee, nee, nee, nee, nee, nee!«, »Na-ain!«, wendet sich ab und beginnt mit der bloßen

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