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Was weiß der Richter von der Liebe

Was weiß der Richter von der Liebe

Titel: Was weiß der Richter von der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Ungerer
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zu entrichten. Mit der Überweisung von 78 Euro sei der Empfang für das Jahr 2006 gesichert – aufgrund der physikalischen Struktur von Satellit und Sat-Empfänger seien Unterzeichnende in der Lage, Receiver abzuschalten. Sollten Unterzeichnende eine Abschaltung vornehmen, so sei es leider nicht zu vermeiden, dass auch die Öffentlich-Rechtlichen, wie ARD und ZDF, davon betroffen seien. Unterzeichnend: Herr Uth, Berlin, Soundso GmbH, mit vollem und richtigem Namen.
    Der Rest ist Warten. Warten auf den Geldstrom, der da kommen mag und den Herr Uth sich auf einem späterhin sichergestellten Zettel zurechtgerechnet hat: Wenn alles gut geht und bei einer Zahlungsmoral von sechzig Prozent könnte man dann in nächster Zeit 4,6 Millionen Euro auf dem Konto der GmbH vorfinden, dann könnte man sich ein gutes Stückchen davon schnappen, könnte in die Schweiz fahren, wo die Nummernkonten locken, könnte – und das sei doch irgendwo der Traum eines jeden Menschen, wird Herr Uth vor Gericht später sagen – eintauchen in so eine Vip-Welt, könnte sich dort bewegen, ehe man dann einsehe, dass das auch nichts für einen sei. Dann aber hätte man das auch einmal ausprobiert im Leben, man müsse doch so vieles ausprobieren, und wenn das mit der Vip-Welt nicht klappe, dann lerne man eben mal das Gefängnis von innen kennen – objektiv sei das zwar nicht ganz dasselbe, subjektiv aber gleichermaßen egal.
    Herr Uth sitzt in seinem Haus. In Gottenheim, Merdingen und Bötzingen aber rumort’s bald auf allen Kanälen: In den Internetforenstellen Menschen einander bange Fragen zu dieser Post aus Berlin, User stehen einander bei und zerlegen nach und nach die gesamte Homepage, die Herr Uth sich gebaut hat, komplett mit einem selbstmanipulierten Foto der GmbH-eigenen Fahrzeugflotte, Verbraucherschützer warnen, Radiosender warnen, Fernsehsender warnen vor Herrn Uth und seinen gefährlichen Briefen. Auf dem Konto trudeln hundert Überweisungen ein. Am vierten Tag wird es gesperrt. Herr Uth lässt sich vernehmen. Sein Haus und seine Geschäftsräume werden durchsucht. Dann geht Herr Uth. Und meldet Insolvenz an für seine GmbH.
    Von heute betrachtet, sagt er, war es ja klar, dass das nichts werden konnte. Nichts von dem Geld, sagt Herr Uth, habe er jemals in seinem Portemonnaie gesehen, niemals hat er die Vip-Welt eintauschen können gegen die hiesige, niedrige Welt; eine, in der der Staat uns das Geld aus der Tasche zieht, in der wir Gebühren zahlen müssen für Ausweise, die wir gar nicht haben wollen – Das wolle ja nur der Staat, dass wir einen Ausweis hätten! –, eine Welt, in der einen täglich der Benzinpreis empört, und, wenn er das noch sagen dürfe: Einer der Geschädigten habe sogar seine Reise über Herrn Uths Konto abgebucht, weil der so sauer war. So sind die Menschen, ihre Gauner laufen frei rum. Herr Uth übrigens auch. Ein Jahr und neun Monate ist der dreiundneunzigtausendfache Betrugsversuch wert, auf Bewährung natürlich, die Sozialprognose ist günstig bei Herrn Uth: So schnell wird er sicher nirgends mehr entlassen werden, und eine neue Lebensgefährtin hat er auch.

MÜGGELSEE-GLAMOUR
    Die Müggel ist böse, das wusste schon der Dichter. Er legte seinen Arm enger um die Fichte, an der er saß, und blickte mit großen Augen auf die Mitte des Sees. Dort kam eine Verwirbelung, ein Nebel oder irgend so etwas über die bleigraue Wasserfläche geschossen, vielleicht auch ein Wind, und brachte im Dichter ein Wissen zum Klingen, mit dem er sich zuvor eingedeckt hatte: von den anwachsenden Schatten der nahen Müggelberge; den Zauberwesen, die sonderlich in den Abendstunden sich hier herumzutreiben beliebten; von den Abbildern der alten Heidengötter, die bei irgendeiner frühchristlichen Säuberung wohl in die Müggel geflogen sind, um dann und wann, wer weiß, von dort unten weiterhin ihr Unwesen zu treiben: Menschen zu verfolgen, zu piesacken und ins Unglück zu stürzen. Was ausrangierte Götter sich eben so vornehmen. Böse, so wusste mit Entschluss der Dichter, böse ist die Müggel – so vollendet böse, dass es eigentlich schon wieder poetisch war und ohne »e« stehen blieb: Die Müggel ist bös. Fontane.
    Frühsommer 2005: Im Saal 4002 des Amtsgerichts Tiergarten sitzt der Koch Marco Juncker, dreißig Jahre alt, ledig, »noch keine« Kinder. Ein Mann, dem nicht allzu viele Silben entfleuchen und den wir uns anhand von gesammelten Indizien vorstellen müssen: als stillen Bestandteil eines Familienbetriebs im

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