Was wir sind und was wir sein könnten
ermöglichten, die aber diejenigen Arten, die durch ihre jeweiligen Spezialisierungen diese Nischen erfolgreich besetzen konnten, daran hinderten, sie jemals wieder zu verlassen. Ist es das, was wir durch das Anheizen des Wettbewerbs in unserer Gesellschaft erreichen wollen?
Wie lange könnte ein Gesamtorganismus, also Sie oder ich, wohl überleben, wenn seine Lunge mit der Leber, sein Darm mit dem Pankreas oder sein Hirn mit dem Herz in Konkurrenz darum stritten, wer die besseren Leistungen vollbringt?
Das Ende der Ideologien
Eine wichtige Lernerfahrung nehmen wir jetzt mit in die nächste Epoche: Wer sich für eine bestimmte Idee begeistert, bekommt auch ein Hirn, mit dem er seiner Begeisterung für diese Idee besonders gut nachgehen, mit dem er diese Idee besonders gut verfolgen kann. Es gibt immer wieder Zeiten, in denen es fast unvermeidlich ist, dass sich sehr viele Menschen für etwas Bestimmtes begeistern. Für Maschinen zum Beispiel, wie wir eben gesehen haben. Oder für elektronische Geräte und die Möglichkeiten digitaler Medien, wie wir das gegenwärtig erleben.
Auch diese Begeisterungswelle wird dazu führen, dass sich nun bestimmte Vorstellungen und Überzeugungen in den Gehirnen der Menschen verfestigen. Auch diesmal werden wir in einigen Jahren feststellen, dass die Art und Weise, wie die Menschen sich dann selbst betrachten und was sie für anstrebenswert halten, dem sehr nahekommt, was sie auch an den von ihnen so intensiv benutzten digitalen Medien am meisten bewundern.
Die ersten Anzeichen sehen wir bereits heute. Wir halten Multitasking für eine erstrebenswerte Fähigkeit, schnellste Reaktionen für wünschenswert und Vernetzung für ein Zukunftsmodell, egal wer sich wofür vernetzt. Multioptional hätten wir es inzwischen auch immer lieber.
Weiter zurück, in der Feudalgesellschaft, war den Menschen ebenso zwangsläufig ganz anderes wichtig als uns heute. Und für diejenigen Menschen, die vor zehntausend Jahren sesshaft geworden waren, die Haustiere züchteten und Felder bewirtschafteten, sind damals sehr viele Wahrnehmungen, Kenntnisse, Lebensweisen und Fähigkeiten bedeutsam geworden, die den an ihnen vorbeiziehenden Nomadenvölkern völlig schnuppe waren.
Nicht all das, was die Welt uns bietet, ist entscheidend dafür, wie und wofür wir unser Gehirn benutzen, sondern nur das, was wir von all dem, was die Welt uns bietet, als wichtig und bedeutsam erachten. Das entscheidet darüber, wofür wir unser Gehirn mit Begeisterung benutzen und was für ein Gehirn wir dann eben auch bekommen.
»Panta rhei«
, alles ist in Bewegung, alles entwickelt sich und nichts bleibt so, wie es einmal war. Heraklit soll dieses Bild eines fließenden Flusses gefunden haben, um das zu beschreiben, was sich wohl nur mit einem menschlichen Gehirn begreifen lässt:
Die Welt, in der wir leben, verändert sich, wir selbst auch. Und weil das so ist, sind wir auch immer wieder gezwungen, die bisherigen Vorstellungen, die wir uns von der Welt und von uns selbst gemacht haben, an die jeweils neu entstandenen Gegebenheiten anzupassen. Allzu bereitwillig übernehmen wir dabei oft all jene Ideen, die uns hilfreich für die eigene Lebensgestaltung erscheinen, jedenfalls dann, wenn sie zu all jenen Vorstellungen passen, mit deren Hilfe wir uns bisher einigermaßen erfolgreich in der Welt zurechtgefunden haben. Aber das Loslassen einmal gewonnener Überzeugungen oder von anderen übernommener Vorstellungen fällt uns schwer. Vor allem dann, wenn wir damit bisher gut gefahren sind, wenn sie sich also als hilfreiche Orientierungen erwiesen haben. Ganz besonders aber dann, wenn es sich um Vorstellungen handelt, die wir mit vielen anderen oder mit für uns besonders wichtigen Menschen teilen. Unser Denken ist enger mit unserem Fühlen verbunden, als wir das bisher zuzugeben bereit waren. Und manchmal rennen wir leider auch hinter bestimmten Ideen her, die uns daran hindern, die Probleme zu lösen, die wir mit genau diesen Ideen erzeugt haben.
Die alte Vorstellung, wir seien in der Lage, mit Hilfe unseres Verstandes die Welt nach unseren Vorstellungen zu gestalten, hat sich als fataler Irrtum erwiesen. Ganz offensichtlich ist es uns kraft unserer Ideen und der daraus möglich gewordenen Abspaltung und Unterdrückung unserer Gefühle gelungen, die Welt nach unseren Vorstellungen zu verändern. Aber mit unseren Vorstellungen von einer »besseren Welt« haben wir nicht nur recht viel bewegt, sondern auch viel zerstört. Was
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