Waylander
älteren Priester davonging.
»Sag mir, Schwester«, bat dieser, als sie an dem schmiedeeisernen Tor stehenblieben, »was weißt du über Dardalion?«
»Er ist ein Priester wie du auch«, antwortete sie.
»Aber ein Priester, der tötet«, sagte er traurig.
»Ich kann dir nicht helfen. Er tat, was er für notwendig hielt, um Leben zu retten - es ist nichts Böses in ihm.«
»In allen von uns ist Böses, Schwester, und es zeichnet einen Mann aus, wie er diesem Bösen widersteht. Unsere jungen Männer sprechen viel über Dardalion, und ich fürchte, er stellt eine furchtbare Bedrohung für unseren Orden dar.«
»Vielleicht wird er aber auch helfen, ihn zu retten«, wagte sie zu sagen.
»Wenn wir von Menschen gerettet werden müssen, ist alles Unsinn, was wir glauben. Denn wenn der Mensch letztendlich mächtiger ist als Gott, wozu sollten wir dann überhaupt eine Gottheit verehren? Aber ich will dich nicht mit unseren Problemen belasten. Möge die QUELLE dich segnen, Schwester.«
Sie verließ ihn und wanderte durch die von weißen Mauern gesäumten Straßen. Ihr Kleid war schmutzig und zerrissen, und sie fühlte sich wie ein Bettler unter den Blicken der Stadtbewohner. Ein kleiner, dicker Mann näherte sich ihr und bot ihr Geld, aber sie verjagte ihn mit einem zornigen Blick. Auf einmal berührte eine Frau ihren Arm.
»Bist du gerade angekommen, meine Liebe?« fragte sie.
»Ja.«
»War ein Mann namens Vanek bei eurer Gruppe?«
»Ja, ein Soldat, der hinkt.«
Die Frau sah erleichtert aus. Sie war untersetzt und mußte einmal hübsch gewesen sein, aber jetzt hatte ihr Gesicht Falten, und sie hatte rechts mehrere Zähne verloren, was ihr ein etwas schiefes Aussehen verlieh.
»Ich heiße Tacia. Neben meinem Haus ist ein Badehaus, und du bist herzlich eingeladen, es zu benutzen.«
Das Badehaus war verlassen und das Hauptbad leer, aber in den Nebenräumen standen noch einige Wannen. Tacia half Danyal, eine Kupferwanne mit Eimern voll Wasser zu füllen, die sie aus einem Brunnen hinter dem Badehaus holten. Dann setzte sie sich, als Danyal ihr Kleid auszog und sich in das kalte Wasser gleiten ließ.
»Das Wasser wird nicht mehr erhitzt«, sagte Ta-cia. »Nicht mehr, seit der Ratsmann gegangen ist. Ihm gehörte das Haus, er ist nach Drenan gegangen.«
»Es ist schon gut so«, erwiderte Danyal. »Gibt es auch Seife?«
Tacia ging und kehrte einige Minuten später mit
Seife, Handtüchern, einem Rock und einer Tunika zurück.
»Sie werden dir zu groß sein, aber ich kann sie rasch für dich ändern«, erklärte sie.
»Bist du Vaneks Frau?«
»Das war ich«, antwortete sie, »aber er lebt jetzt mit einem jungen Mädchen aus dem Südviertel zusammen.«
»Das tut mir leid.«
»Heirate nie einen Soldaten - heißt es nicht so? Die Kinder vermissen ihn. Er kann sehr gut mit Kindern umgehen.«
»Wart ihr lange verheiratet?«
»Zwölf Jahre.«
»Vielleicht kommt ihr wieder zusammen«, meinte Danyal.
»Vielleicht - wenn meine Zähne nachwachsen und die Jahre von meinem Gesicht abfallen! Hast du eine Unterkunft?«
»Nein.«
»Du bist bei uns willkommen. Es ist nicht viel Platz, aber gemütlich - falls du nichts gegen Kinder hast.«
»Danke, Tacia, aber ich bin noch nicht sicher, ob ich in Skarta bleibe.«
»Wo willst du sonst hin? Purdol wird bald fallen, wie ich höre, trotz aller Versprechungen von Karnak und Egel. Sie müssen glauben, wir sind dumm. Niemand wird den Vagriern lange widerstehen . sieh nur, wie rasch sie das Land erobert haben.«
Danyal sagte nichts, wohl wissend, daß sie kein Gegenmittel für die Verzweiflung der Frau besaß.
»Hast du einen Mann?« fragte Tacia.
Danyal dachte einen Augenblick an Waylander, dann schüttelte sie den Kopf.
»Du hast Glück«, sagte die Frau. »Wir verlieben uns in Männer, sie verlieben sich in weiche Haut und strahlende Augen. Ich habe ihn wirklich geliebt, weißt du. Ich hätte nichts dagegen gehabt, wenn er hin und wieder mit ihr geschlafen hätte. Aber warum mußte er mich ihretwegen verlassen?«
»Es tut mir leid. Ich weiß nicht, was ich sagen soll.«
»Nein. Aber du wirst es eines Tages wissen, wenn dein hübsches rotes Haar graue Strähnen zeigt und deine Haut rauh wird. Ich wünschte, ich wäre noch einmal jung. Ich wünschte, ich hätte schönes rotes Haar und wüßte nicht, was ich einer alten Frau antworten sollte.«
»Du bist nicht alt.«
Tacia stand auf und legte die Kleider auf den Stuhl. »Wenn du fertig bist, komm nach nebenan. Ich habe
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