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Waylander

Waylander

Titel: Waylander Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Gemmell
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Mysterien der Sterne nach. Wo liegt da das Gleichgewicht, Vater Abt?
    Wir versuchen, die Welt zu lehren, daß es unsere Wertvorstellungen sind, denen sie folgen soll. Aber wenn alle uns in das Zölibat folgen, wo würde die Welt dann enden? Die Menschheit würde untergehen.«
    »Und es würde keinen Krieg mehr geben«, sagte der Abt. »Keine Gier, Lust, Verzweiflung, Trauer.«
    »Ja. Und keine Liebe, Freude oder Zufriedenheit.«
    »Bist du zufrieden, Dardalion?«
    »Nein, mir blutet das Herz, und ich fühle mich verloren.«
    »Und warst du als Priester zufrieden?«
    »Ja. Vollkommen.«
    »Und zeigt das nicht, wo der Fehler in deinen Gedanken liegt?«
    »Nein - es stellt vielmehr die Selbstsucht meiner Seele bloß. Wir wollen selbstlos sein, denn wir sehnen uns danach, von der QUELLE gesegnet zu werden. Aber es ist weder Selbstlosigkeit noch Liebe, die uns leitet, sondern Eigennutz. Wir verbreiten nicht die Botschaft der Liebe um der Liebe willen, sondern um unserer eigenen Zukunft als Priester der QUELLE willen. Du bringst jenen Trost, die Kummer haben? Wie? Wie kannst du ihren Kummer verstehen? Wir sind alle durchgeistigte Menschen und leben fern der Wirklichkeit. Selbst unser Tod ist eine moralische Schande, denn wir heißen ihn willkommen als eine Fahrt ins Paradies. Wo liegt da das Opfer? Der Feind bringt uns, was wir begehren, und wir nehmen den Tod von ihm als Geschenk entgegen. Ein Geschenk des Chaos - eine besudelte, blutige, abscheuliche Belohnung vom Teufel selbst.«
    »Du sprichst wie einer, den das Chaos besudelt hat. Alles, was du sagst, klingt plausibel, aber gerade darin liegt die Stärke des Chaos-Geistes. Deswegen nannte man ihn den Morgen-Stern und jetzt den Fürst der Lüge. Die Einfältigen verschlingen seine Versprechungen, wie er sie verschlingt. Ich habe in dich hineingesehen, Dardalion, und ich finde nichts Böses in dir. Aber gerade deine Reinheit hat deinen Fall verursacht, als du dir gestattet hast, mit dem Mörder Waylander zu reisen. Du hattest zuviel Vertrauen in deine Reinheit, und das Böse des Mannes hat dich überwältigt.«
    »Ich sehe ihn nicht als böse«, sagte Dardalion. »Amoralisch, grausam, aber nicht böse. Aber du hast recht, wenn du sagst, er hat mich beeinflußt. Aber Reinheit ist kein Mantel, der im Unwetter beschmutzt werden kann. Er ließ mich lediglich Werte in Frage stellen, die ich angenommen hatte.«
    »Unsinn!« fuhr der Abt auf. »Er gab dir sein Blut zu trinken und damit seine Seele. Und du bist eins mit ihm geworden, so wie er jetzt gegen den Makel der Reinheit ankämpft, den er durch dich bekommen hat. Ihr seid miteinander verbunden, Darda-lion, wie siamesische Zwillinge. Er versucht Gutes zu tun, während du versuchst, etwas Böses zu tun. Erkennst du das nicht? Wenn wir auf dich hören, ist unser Orden am Ende, unsere Disziplin vom Winde verweht. Was du verlangst, ist Selbstsucht, denn du suchst Sicherheit in den Reihen der Priester der QUELLE. Wenn wir dich aufnehmen, verringern wir deine Zweifel. Wir werden dich nicht aufnehmen.«
    »Du sprichst von Selbstsucht, Vater Abt. Dann laß mich dich dies fragen: Wenn unser Leben als Priester uns lehrt, Selbstsucht zu verabscheuen, warum lassen wir dann zu, daß die Bruderschaft uns tötet? Denn wenn Selbstlosigkeit bedeutet, das aufzugeben, was wir uns wünschen, um anderen zu helfen, dann würden wir das doch sicherlich erreichen, indem wir gegen die Bruderschaft kämpften? Wir wollen nicht kämpfen, wir wollen sterben, wenn wir also kämpfen, sind wir selbstlos und helfen den Unschuldigen, die sonst erschlagen würden.«
    »Geh, Dardalion. Du bist so befleckt, mein bescheidener Rat kann dir nicht mehr helfen.«
    »Ich kämpfe allein gegen sie«, erwiderte Darda-lion mit einer steifen Verbeugung.
    Als er sich umdrehte, traten die Priester zurück, um ihm Platz zu machen. Er ging davon, ohne den Kopf zu wenden, so daß er ihre Gesichter nicht sehen konnte, und verschloß seinen Geist vor ihren Gefühlen.
    Nachdem er sie verlassen hatte, überquerte er wieder die Steinbrücke und hielt inne, um in den Fluß zu starren. Er fühlte sich in seiner Rüstung nicht länger unbehaglich, und die Last war von seiner Seele genommen. Das Geräusch von Schritten ließ ihn sich umdrehen, und er sah eine Gruppe von Priestern, alles junge Männer, die über die Brücke kamen. Der erste war ein kleiner, kräftiger Mann mit hellen blauen Augen und kurzgeschnittenem blonden Haar.
    »Wir möchten mit dir reden, Bruder«, sagte er.

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