Weg da das ist mein Fettnapfchen
ich eine obszöne Geste gemacht.
»Moment mal«, sagte ich, während ich den Sinn ihrer Worte zu begreifen versuchte, ehe ich zum einleuchtendsten Schluss gelangte. »Ach so, Sie haben keine vierhundert Marken vorrätig?«
»Natürlich habe ich vierhundert Marken vorrätig«, erwiderte die Dame. »Aber wenn ich sie Ihnen alle gebe, sind nicht mehr genügend übrig, falls ein anderer Kunde danach verlangt.«
Wieder stand ich einen Moment lang sprachlos da und versuchte, diese Ansage zu verdauen. Aber es gelang mir nicht. Das Argument war einfach viel zu dämlich, als dass ich es hätte verarbeiten können.
Ich versuchte, an die Arbeitsmoral der Postangestellten als staatliche Bedienstete zu appellieren. »Aber ich muss vierhundert Briefe verschicken, deshalb brauche ich vierhundert Briefmarken.«
»Es geht aber nicht, dass Sie sie alle aufkaufen«, schoss sie zurück, ohne auch nur eine Sekunde zu überlegen. »Es könnte schließlich jemand kommen und ebenfalls welche kaufen wollen, und dann müsste ich eine weitere Lieferung vom Postamt beantragen.«
»Aber Sie sind das Postamt«, wandte ich ein, während mein Frust allmählich wuchs. »Welchen Unterschied macht es denn, ob ich alle vierhundert auf einmal kaufe oder nur zweihundert und der Mann hinter mir auch zweihundert? Sie müssten doch in beiden Fällen welche nachbestellen.«
Mein Gegenüber schaltete auf stur. »Nein«, erklärte die Dame mir mit fester Stimme. »Ich gebe Ihnen zweihundert, mehr nicht. Sie kriegen sie nicht alle. Nein.«
Eilig erwog ich die Alternativen und gelangte zu dem Schluss, dass ich keine andere Wahl hatte. Unsere Verhandlungen waren an einem kritischen Punkt angelangt, und mir war bewusst, dass ich in dieser Situation auf verlorenem Posten stand. Doch aus irgendeinem Grund beschwor der feige, hinterhältige Teil meiner Persönlichkeit zwei Szenarien zur Lösung der Situation herauf, von denen eines Dynamitstangen, Bartwichse, ein Seil und Eisenbahnschienen beinhaltete (allesamt in Gang sieben erhältlich), das ich jedoch aufgrund der hohen finanziellen Investitionssumme gleich wieder verwarf, und ein zweites, weniger militantes, für das ich mich entschied.
»Also gut«, erklärte ich mit einem zuvorkommenden Lächeln. »Dann nehme ich die zweihundert Marken. Herzlichen Dank.«
Ein befriedigter Ausdruck breitete sich auf dem Gesicht der Postlady aus. Sichtlich freundlicher schob sie die zweihundert Marken über den Tresen, worauf ich ihr die vier Dollar reichte. Ich verstaute die Beute in meiner Geldbörse und verabschiedete mich mit einem höflichen Lächeln. Die Rädchen meines bösartigen Plans drehten sich indes weiter. Es gab kein Zurück mehr.
Am nächsten Tag ging ich wieder hin.
Ich stellte mich in der Schlange an und wartete geduldig, bis ich an der Reihe war. Schließlich trat ich vor und sagte freundlich: »Ich hätte gern zweihundert Briefmarken zu je zwei Cent, bitte.«
Ich sah die Wut förmlich in ihr hochkochen.
Nun hatte ich sie am Wickel. Sie musste mir die Briefmarken verkaufen. Und wir beide wussten das. Sie wusste genau, dass ich sie am Arsch hatte.
Sie kniff die Augen zusammen und legte die Stirn in Falten.
»Hundert«, sagte sie leise, wohl wissend, dass ich sie letztlich eben doch nicht am Arsch hatte. Ganz im Gegenteil.
Dann zeigte sie mit dem Finger auf mich. »Und wagen Sie es ja nicht, sich hier noch mal blicken zu lassen. Ich will Sie hier nie wieder sehen.«
Ich war dermaßen geschockt, dass ich kein Wort herausbekam. Nachdem ich meine Kinnlade wieder unter Kontrolle gebracht hatte, nahm ich meine magere Ausbeute von hundert Briefmarken und kratzte die Kurve.
Hatte ich soeben wirklich Lokalverbot im hiesigen Postamt bekommen? Ich war völlig von den Socken. Hatte mich diese Frau gerade vor die Tür gesetzt? Lokalverbot? Im Postamt ?
Das ist doch lächerlich, sagte ich mir und bog in den Gang mit den vergammelten Süßigkeiten, in denen längst kein Fünkchen Leben mehr war. Wie kann man jemandem in einem Postamt Lokalverbot erteilen? Ich meine, ich bin Steuerzahlerin! Streng genommen bin ich also ihr Boss! Ich wäre am liebsten zurückgegangen, um ihr das direkt ins Gesicht zu sagen. Aber dann verwarf ich die Idee mit dem Steuerzahler-Argument und entschied mich für ein paar Worte aus der Verfassung, die ich so verzerrte, dass es klang, als stammte der Satz aus der Bibel oder als wäre ich ein Mitglied der bibelnahen Constitution Party. Dabei fiel mir ein, dass ich ziemlich oft einen
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