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Weg des Zorns 02 - Der Zorn der Gerechten

Weg des Zorns 02 - Der Zorn der Gerechten

Titel: Weg des Zorns 02 - Der Zorn der Gerechten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Weber
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Buch 1:
OPFER
Die Finsternis zerfaserte.
    Langsam, fast unmerklich, selbst für ein Wesen wie sie, löste sich das ganze Gewebe der Finsternis auf. Kleine Stückchen Frieden trieben davon, und der Puls des Lebens beschleunigte sich. Sie erhob sich - verschlafen beklagte sie sich über die Störung und klammerte sich an die Finsternis, wie ein Schläfer an einem frostigen Morgen seine Decken um sich schlingen mochte. Doch die Ruhe zerfiel ihr unter den Händen, und sie erwachte ... in Finsternis.
    Doch es war eine andere Art der Finsternis, und ihre Gedanken wurden klarer und klarer, als die Kälte über sie hinwegfegte, ihr auch noch die letzte Wärme nahm. Ihre Essenz tastete um sich, rasch und drängend, in einem Gefühl, das ein Sterblicher vielleicht ›Angst‹ genannt hätte - doch nur Leere war die Antwort, und wie eine Klinge durchfuhr Trauer ihren Leib.
    Sie waren fort - die Schwesternwesenheiten ihres Selbst, und auch deren Schöpfer. Sie alle waren fort. Sie, die nie als eine eigenständige Wesenheit existiert hatte, war alleine, und die Leere rief nach ihr, wollte sie verschlingen, und sie war nur noch ein Schatten dessen, was sie einst gewesen war ... ein Schatten, der den Sog der Einsamkeit fühlte, der einen seelenlosen Sirenengesang hörte, frei von jeglicher Boshaftigkeit, wie ihn nur das Nichts, die Verkörperung der Auslöschung selbst hervorzubringen vermochte.
    Mit zielgerichteten Gedanken schuf sie einen Schutzwall um sich und hielt damit die Leere ab. Einst wäre ihr das ohne jegliche Mühe gelungen, doch nun zerrte es an ihr wie ein schwerer Anker - es war ein Gewicht, das sie noch zu tragen vermochte. Sie wurde noch ein wenig wacher, ihr Bewusstsein durchzuckte die gewaltigen, leeren Höhlen ihres eigenen Wesens, und war entsetzt davon, was sie sehen musste. Wie tief sie gesunken war, wie viel sie verloren hatte.
    Und doch war sie, was sie nun einmal war. Sie mochte geschwächt sein, aber sie war sie selbst, und ein Funken grimmiger Belustigung regte sich in ihr. Einst hatten sie und ihre Schwestern genau darüber nachgedacht. Sie hatten darüber gesprochen, hatten einander in der Stille des Schlafes zugeflüstert, als ihre Herren gerade keine Aufgaben für sie hatten. Das unbedingte Vertrauen hatte ihre Schöpfer herbeibeschworen, sosehr sie das auch bestreiten mochten, und tief in ihrem Innersten hatten sie alle gewusst, ging dieses Vertrauen verloren, so galt dies auch für jene, denen sie dienten. Doch was war mit ihnen, mit ihrem eigenen Selbst? Würde das Werk ihrer Schöpfer mit eben jenen Schöpfern vergehen? Oder hatten sie alle, unwissentlich oder voller Gleichgültigkeit, eine Macht erschaffen, die sie alle womöglich überleben würde?
    Und nun kannte sie die Antwort auf diese Frage ... und verwünschte sie. Die Letzte zu sein und in genau diesem Wissen zu erwachen, jene Wunde zu spüren, dort wo all das Selbst ihrer anderen Wesenheiten hätte sein müssen, war grausamer als jede Rache, die sie selbst einst genommen hatten. Und zu wissen, wie sehr ihr eigenes Selbst in sich geschrumpft war - sie, die einst die Ungestümste und Entsetzlichste all ihrer Wesenheiten gewesen war! -, trieb das Leid in unvorstellbare Ausmaße.
    Sie schwebte in jener Dunkelheit, die ihr keinen Trost mehr zu spenden vermochte, sehnte sich nach dem Frieden, den sie verloren hatte, selbst wenn sie ihn nur darin würde finden können, nicht mehr zu sein, und doch spürte sie tief in ihrem Innersten eben jenen Zweck, für den sie einst geschaffen worden war. Das Bedürfnis zu handeln und ein unersättlicher Hunger ließen sie erzittern, und geduldig oder friedfertig war sie noch nie gewesen. Irgendetwas in ihrem Innersten knurrte voller Zorn ihre verschwundenen Schöpfer an, verwünschte sie dafür, sie ohne jegliche Anweisung zurückgelassen zu haben, ohne jeglichen Zweck. Zitternd stand sie kurz davor, eine Entscheidung zu fällen. In ihrer Einsamkeit sehnte sie den Tod herbei, aber ein noch ungeformtes und doch unbändiges Bedürfnis trieb sie dazu weiterzuleben.
    Und dann spürte sie, ganz am äußersten Rand ihrer Wahrnehmung, noch etwas anderes. Wie ein zartes Rinnsal durchzog es die Schwärze, schwächer noch als sie selbst, und so streckte sie sich danach aus. Sie griff danach und erschauerte, als sie begriff, was sie dort ertastete. Es war jenes Echo, jener Spiegel, den sie aus halb vergessenen Träumen kannte, und es war gleißender, schärfer als je zuvor. Alle denkbaren Entwicklungen, alle

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