Wehe wenn der Wind weht
er hatte schon vor langer Zeit gelernt, daß man weniger Ärger hatte, je weniger man sagte. Aber dennoch wollte er nicht, daß seinem Freund etwas zustieß.
Er blieb einen Augenblick am Rand der Weide stehen.
Der Hof, der das Haus der Ambers umgab, sah verlassen aus, und Eddie hatte das beklommene Gefühl, er könnte zu spät gekommen sein. Er trabte zur Scheune hinüber und ging hinein.
Die Ställe waren leer. Aber er konnte sehen, daß sie noch vor kurzem belegt gewesen waren. Eddie kratzte seinen Kopf und überlegte, was zu tun sei.
Er kam wieder aus der Scheune heraus ins helle Sonnenlicht und schaute nachdenklich zum Haus. All die Geschichten, die er über Miß Edna gehört hatte, gingen ihm durch den Kopf.
Schließlich hatte er einen Entschluß gefaßt. Er nahm all seinen Mut zusammen und näherte sich der Hintertür.
Er klopfte, und dann, als keine Antwort erfolgte, klopfte er noch einmal lauter. Schließlich wandte er sich zum Gehen und fühlte sich fast erleichtert, weil niemand reagiert hatte.
»Wer bist du und was willst du?«
Überrascht wirbelte Eddie herum und sah durch die Blende der Tür Miß Edna.
»M ... Miß Edna?« fragte er mit nervös bebender Stimme. »Ich bin Eddie Whitefawn.«
»Was willst du?« wiederholte Edna.
»Ich ... ich suche Jeff Crowley. Ist er hier?«
»Nein.« Edna beobachtete den Jungen von der anderen Seite der Tür. Er wirkte nervös und machte den Eindruck, als wolle er eine weitere Frage stellen. Und warum war er hierher gekommen, um nach dem Crowley-Jungen zu suchen? »Warum, glaubst du, sollte er hier sein?«
»Ich ... ich hörte, daß er mit Christie und Miß Diana zum Zelten gehen wollte.«
»Ja, das ist er«, sagte Edna.
Eddie schaute sie an. »Wohin?« fragte er.
»Oben in die Hügel, nehme ich an«, erwiderte Edna. Sie wünschte, der kleine Junge würde weggehen. Da waren noch so viele Dinge zu tun, und sie hatte so wenig Zeit. Aber dann stellte Eddie eine weitere Frage, und Ednas Herz begann heftig zu klopfen.
»In die Hügel oben beim Bergwerk?« fragte er.
Edna spürte, daß ihre Knie weich wurden, und sie mußte sich am Türrahmen festhalten. Warum hatte er das Bergwerk erwähnt? Wußte er etwas? Und dann fiel es ihr wie Schuppen von den Augen. Die Leute in Shacktown, die meisten zumindest, hatten kein Telefon. In der Nacht, als Jay-Jay starb, und Joyce Crowley alle anderen Mütter angerufen hatte, hatte sie Mrs. Whitefawn wahrscheinlich nicht erreichen können.
»Vielleicht kommst du lieber herein«, sagte Edna schließlich und stieß die Tür auf. Zögernd betrat Eddie Whitefawn die Küche.
Edna bot ihm ein Glas Milch an und forderte ihn auf, sich an den Küchentisch zu setzen.
»Warum, glaubst du, könnten sie zum Bergwerk hochgegangen sein?« fragte sie, während sie ihm gegenüber Platz nahm.
»Ich ... ich weiß nicht«, stammelte Eddie.
»Weißt du es nicht oder willst du es nicht sagen?« entgegnete Edna.
»Ich ... also, ich dachte nur ...« Eddie stand auf. »Vielleicht gehe ich lieber nach Hause.«
»Setz dich«, befahl Edna. Eddie sank auf seinen Stuhl zurück.
»Du warst beim Bergwerk in dieser Nacht, als Jay-Jay starb, nicht wahr?«
Eddies Augen wurden groß. Woher hatte sie das gewußt? War sie doch eine Hexe, wie einige der Kinder sagten? Eingeschüchtert nickte er.
»Und hast du etwas gesehen?« wollte Edna wissen.
Eddie zögerte und dachte wild nach. Wenn er log, würde sie das wissen? Er glaubte, ja.
»Miß Diana«, flüsterte er.
»Was ist mit ihr?«
»Ich ... ich sah sie. Sie ging in das Bergwerk, und da war ein Schrei, und dann kam sie wieder heraus.«
Edna seufzte schwer und sank in ihrem Stuhl zurück. Er wußte es. Er wußte es, und früher oder später würde er es jemandem erzählen. Und dann würde alles herauskommen. All ihre Geheimnisse, mit denen sie hatte sterben wollen.
»Schön«, sagte sie schließlich. Sie lächelte Eddie an. »Hast du jemandem erzählt, daß du meine Tochter in dieser Nacht gesehen hast?«
Eddie schüttelte den Kopf.
»Aber das hättest du tun sollen«, sagte Edna. »Du hättest es deiner Großmutter und dem Marshal erzählen sollen. Warum hast du das nicht?«
»Ich wollte keinen Ärger haben«, sagte Eddie, dessen Stimme kaum mehr als ein Flüstern war.
»Na, dann geh jetzt lieber zurück in die Stadt und erzähle es deiner Großmutter«, sagte Edna. Eddie stand auf, und die Erleichterung, daß ihm nichts geschehen war, stand ihm ins Gesicht geschrieben. Er ging auf die
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