Die Klinge des Löwen 02
Auf dem Kamm eines
bewaldeten Bergrückens zog Dietrichs Reiterschar mit drei
Saumrossen dem Winterberg entgegen. Von dort hofften sie in den
Reutengrund zu gelangen, um dann die Richtung zur Kastelburg
einzuschlagen.
Die Strahlen der
Morgensonne durchfluteten den lichten Wald, während die Reihe
der Rosse und Reiter, einem schmalen Pfad folgend, sich zwischen den
hohen Stämmen hindurchwand. Eine Zeitlang begleitete sie das
perlende Gezwitscher eines Rotkehlchens. Es verstummte dann aber, als
irgendwo hoch in den Bäumen das grelle, abgehackte Kichern eines
Habichts ertönte.
Dietrich ritt
schweigend und mit düsterer Miene an der Spitze, während
sein Knappe Roland sich dicht hinter ihm hielt. Des Ritters Gedanken
weilten bei den Bewohnern der Husenburg, die er mit seinen
Schützlingen so überstürzt verlassen hatte. Inzwischen
fragte er sich, ob die Entscheidung, auf diese Weise der
Gefangennahme durch Urban von Geroldseck zu entgehen, richtig war.
Je länger er
darüber nachsann, desto stärkere Bedenken kamen ihm. Wenn
er sich die feindlichen Scharen vorstellte, die unter Führung
des jungen Geroldseckers die Husenburg belagerten, dann war ihm nun
alles andere als wohl zumute. Er wußte ja, daß das
Kriegsvolk allein seinet- und seiner Herrin wegen in so bedrohlicher
Stärke vor den Mauern der Husenburg aufmarschiert war.
Ihm lastete man
einen angeblichen Mordversuch an Egeno von Geroldseck an. Dies war
zwar eine ebenso dreiste wie dumme Behauptung, aber wie er vor
einigen Tagen an der Reaktion des Herrn der Husenburg bemerkt hatte,
blieb auch bei unberechtigten Vorwürfen immer etwas an dem
Beschuldigten hängen. Andererseits gab es genügend
Augenzeugen, die diese hinterhältige Bezichtigung als gemeine
Lüge entlarven konnten. Er hatte schließlich nichts
anderes getan, als sich beim Übersetzen mit der Fähre über
die Künzig gegen des Geroldseckers Angriff zu wehren. Niemand
würde ihn verurteilen, weil er dabei Egeno durch einen
Schwertstreich kampfunfähig gemacht
hatte .
Ein bitterer Zug
legte sich um seine Mundwinkel. Er hatte dem Unterlegenen das Leben
geschenkt, und zum Dank dafür warf ihm dessen Vater nun einen
„Mordversuch“ vor. Gerade dieser üblen Unterstellung
wegen erschien ihm jetzt sein Entschluß, mit Ida und den
anderen unverzüglich die Husenburg zu verlassen, wie eine
schnöde Flucht aus der Verantwortung.
Es war ja nicht zu
übersehen, daß er und seine Schützlinge durch ihr
Auftauchen die Burg Werners von Husen in ernste Gefahr gebracht
hatten. Durch die Tatsache, daß man sie dort tagelang
beherbergte, wurde der Burgherr zwangsläufig in die Fehde
zwischen Max von Ortenburg und Urban von Geroldseck hineingezogen.
Immer wieder stellte
sich Dietrich im stillen die Frage, welche Folgen das alles für
die Bewohner von Burg Husen haben mochte. War Werner seinem Ratschlag
gefolgt, einer Abordnung des Feindes Einlaß zu gewähren,
um zu zeigen, daß die Gesuchten die Feste längst verlassen
hatten? Waren durch deren Verschwinden der Burgherr, seine Familie
und seine Getreuen vor Schlimmerem bewahrt geblieben? Oder war daraus
erst recht jene Gewalttat entstanden, die Dietrich mit seiner
Entscheidung für die Flucht zu vermeiden hoffte? Konnte es nicht
auch sein, daß der für seine unbeherrschten
Zornesausbrüche bekannte Vater seinem Sohn Egeno befohlen hatte,
die Husenburg aus Rache für den fehlgeschlagenen Aufmarsch in
Trümmer zu legen? Auch wenn der Alte nicht selbst dabei war, so
ließ er sich wohl doch über den Fortgang seines Feldzuges
durch Boten auf dem laufenden halten. Es war kaum anzunehmen, daß
er alle Entscheidungsgewalt seinem Sohn überlassen hatte...
Dietrich zügelte
unvermittelt seinen Rappen, damit Roland zu ihm aufschließen
konnte. Unwillig schüttelte der schwarze Hengst den Kopf, daß
die Mähne flog. Es war sehr warm geworden in diesen sommerlich
anmutenden Apriltagen, und die Fliegen, von der Wärme aus ihren
Schlupfwinkeln hervorgelockt, plagten ihn.
„ Höre, Knappe“,
sagte Dietrich entschlossen. „Ich will, daß du zur
Husenburg zurückkehrst. Ich muß wissen, wie es dort
aussieht. Versuche herauszufinden, ob Egeno sie besetzt hält
oder ob er mit seinem Kriegsvolk inzwischen wieder abgezogen ist. Laß
dich aber in der Burg erst sehen, wenn du sicher bist, daß die
Feinde nicht mehr in der Nähe sind.“
Roland warf seinem
Herrn einen erstaunten Blick zu, zog es jedoch vor, schweigend zu
nicken, als er dessen ernstes Gesicht sah.
„ Wenn
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