Wehe wenn der Wind weht
erzählte Esperanza ihm. »Darin sind los ninos.«
Dan nickte, als er sich an die Legende über die Kinder erinnerte, die nach dem Glauben der Indianer in dem Berg lebten.
»Gut«, sagte er. »Dann schlaf weiter. Ich werde mich dort mal umschauen.«
Aber Esperanza stand auf. »Kommen Sie zurück«, sagte sie. »Ich mache Kaffee, und Sie kommen zurück und erzählen mir, was Sie gefunden haben. Einverstanden?«
Dan stimmte zu und verließ die Hütte.
Er näherte sich dem dunklen Eingang des Bergwerks und blieb stehen. Er leuchtete hinein. Es war nichts Auffälliges zu entdecken.
»Jay-Jay?« rief er. Es erfolgte keine Antwort, und er leuchtete noch einmal mit seiner Lampe herum und ging dann in den Stollen hinein.
Drinnen fand er den Sicherungskasten, und er betätigte den Hauptschalter. Die Lichter durchschnitten die Dunkelheit, und Dan schaltete seine Taschenlampe aus. Er bewegte sich langsam durch den Stollen, bis er den Rand des vertikalen Schachtes erreichte. Tief seufzend trat er in den Aufzug und fuhr nach unten.
Er fand Jay-Jay auf dem Grund.
Wieder war der schwarze Boden des Bergwerks mit rotem Blut befleckt. Der Körper, eine formlose Masse von verstümmeltem Fleisch und Knochen, war fast unkenntlich.
»Jesus ...«, flüsterte Dan Gurley. Er stieg wieder in den Aufzug und ein Brechreiz überkam ihn, während der Korb langsam nach oben ratterte.
Als er wieder draußen war, atmete er in der Nachtluft tief durch, doch das genügte nicht. Über die Stoßstange seines Wagens gebeugt erbrach er sich in den Staub.
Als er ein paar Minuten später in die Hütte zurückkehrte, reichte ihm Esperanza eine Tasse dampfenden Kaffees. Sie las in seinem Gesicht, was geschehen war.
»Esta muerta?« fragte sie. Als er nickte, bekreuzigte sie sich und murmelte ein rasches Gebet. Während Dan seinen Kaffee schlürfte, ließ sie sich auf einen Stuhl sinken und schüttelte traurig den Kopf.
» Los ninos«, murmelte sie. »Böse Dinge kommen«, sagte sie zu Dan. »Die Kinder sind unruhig.«
»Böse Dinge sind bereits gekommen, Esperanza«, sagte Dan ruhig. »Drei Menschen sind gestorben.«
»Das liegt am Bergwerk«, sagte Esperanza. »Das Bergwerk muß in Ruhe gelassen werden.«
»Nein«, erwiderte Dan. »Es ist nicht das Bergwerk, Esperanza. Das Bergwerk ist nur ein Loch im Boden. Es waren einfach Unfälle, das ist alles.«
Doch Esperanza wußte es besser, und nachdem Dan schließlich ihre Hütte verlassen hatte, fiel sie auf ihre Knie und begann zu beten.
Jerome und Claire Jennings schwiegen, als sie vom Büro des Marshals heimfuhren, aber nachdem sie in ihrem Haus waren, starrte Claire ihren Mann wie betäubt an.
»Die Ambers sind schuld«, sagte sie bitter.
»Claire«, sagte Jennings. »Das kann doch nicht dein Ernst sein.«
»Doch. Es ist alles auf sie zurückzuführen, so wie am Ende alles in dieser Stadt auf sie zurückzuführen ist. Wenn sie nicht versucht hätten, das Bergwerk wieder in Betrieb zu nehmen, wäre all dies niemals passiert. Es ist wie bei Kim Sandler, und sie ist noch nicht einmal begraben. Der Steinbruch hätte umzäunt werden müssen, und das Bergwerk hätte geschlossen werden müssen.«
Sie begann untröstlich zu schluchzen, und Jerome umschlang sie mit seinen Armen.
»Es ist der Wille Gottes«, flüsterte er.
Claire riß sich von ihm los und ihre Augen waren plötzlich wütend. »Der Wille Gottes? Welcher Gott würde denn mitten in der Nacht ein unschuldiges kleines Mädchen in einem Bergwerk töten? Es war etwas anderes, Jerome, und das weißt du auch! Erzähl mir nichts von Gott!«
»Claire ...«
»Mir hängt Gott zum Hals heraus! Warum kann er uns nicht in Ruhe lassen? Zuerst Elliot Lyons, dann Kim Sandler, und jetzt ... jetzt ...« Sie konnte nicht ausreden und begann wieder zu schluchzen. Es klingelte an der Tür und Jennings stand auf, um zu öffnen, doch Claire hielt ihn fest.
»Herein«, rief er. Die Tür öffnete sich und Joyce Crowley trat ein.
»Claire«, sagte sie, und ihre Stimme war mitleidsvoll. »Oh, Claire, es tut mir so ...«
»Geh weg«, sagte Claire Jennings gebrochen. »Geh aus meinem Haus und komm niemals wieder. Du weißt, daß das allein deine Schuld ist!«
»Meine Schuld?« echote Joyce. »Ich verstehe nicht ...«
»Dein Sohn hatte doch die Idee, dorthin zu gehen, nicht wahr? Obwohl du versucht hast, das Jay-Jay in die Schuhe zu schieben. Wie konntest du das nur?« Plötzlich sprang sie auf und richtete ihren Finger anklagend auf Joyce. »Jeff! Es
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