Wehe wenn der Wind weht
sie. »Du sollst nicht weinen. Hörst du mich? Hör auf damit!«
Christie zitterte in dem Bett und versuchte verzweifelt, nicht zu weinen, doch ihre Angst war zu groß. Ein Seufzer kam über ihre Lippen.
Dianas Faust sauste herunter und traf Christie in die Rippen. Sie stöhnte auf und zog ihren Leib zu einer festen Kugel zusammen.
»Hör auf zu weinen!« wütete Diana. »Hör sofort auf!«
Wieder hob sie ihre Faust und Christie umklammerte ihren Mund mit ihren Händen, entschlossen still zu sein, da sie wußte, daß es nur schlimmer werden würde, wenn sie schrie.
Immer wieder schlug Diana auf das kleine Mädchen ein, und ihre Stimme sank zu einem gutturalen Murmeln, während eine sinnlose Wut sie trieb.
Und dann, als Christie sich fragte, ob sie sterben müsse, senkte sich eine unheimliche Ruhe auf das Haus. Der Wind war erstorben.
Christie lag unbewegt in dem Bett, ihr Schrei war in ihrer Kehle erstarrt. Über ihr glänzte Dianas Gesicht im Mondlicht; langsam verloren ihre Augen den irren Glanz. Sie bückte sich und berührte Christies geschundenen Körper.
»Was ist geschehen?« fragte sie. »Christie, was ist geschehen?« Doch Christie, die viel zu entsetzt war, um antworten zu können, lag still da, ihre Beine an die Brust gezogen und ihren Daumen im Mund.
»Hat der Wind dich erschreckt?« fragte Diana. »Aber jetzt ist ja alles vorbei, Liebling. Mama hat's für dich gerichtet. Mama wird's immer für dich richten.«
Dann war sie fort und Christie hörte, wie das Schloß einrastete. Sie lag da und starrte in die Dunkelheit, und wollte mehr als alles andere in der Welt einfach davonlaufen. Doch sie hatte viel zu große Angst, sich auch nur zu bewegen.
Edna saß im Wohnzimmer, ihre Augen blicklos auf den Fernseher gerichtet, ein ungeöffnetes Magazin auf ihrem Schoß. Irgendwann in der Nacht würde das Telefon klingeln, dessen war sie sich sicher.
Als die Stille andauerte, begann sie zu glauben, daß es vielleicht nicht so sein würde. Vielleicht war alles in Ordnung, so, wie Diana gesagt hatte. Sie schaute nach oben und überlegte, was dort passieren mochte. Das Haus war eigenartig still, und plötzlich bemerkte Edna, daß der Wind sich gelegt hatte.
Und dann klingelte das Telefon. Als Edna aufstand, um abzunehmen, fiel das Magazin unbemerkt von ihrem Schoß.
»Ja«, sagte sie. Also war doch nicht alles in Ordnung.
Dan Gurleys Stimme schien wie aus weiter Ferne durch die Leitung zu schweben.
»Miß Edna? Ist Miß Diana da?«
»Sie ist zu Bett gegangen. Kann ich Ihnen etwas helfen?«
»Ich weiß nicht. Reverend Jennings rief mich vor wenigen Minuten an. Jay-Jay scheint verschwunden zu sein.«
Ednas Lippen spannten sich, aber als sie sprach, klang ihre Stimme ruhig und gleichmütig. »Was hat das denn mit uns zu tun?«
»Ich habe mich etwas umgehört, und es sieht so aus, als hätten einige Kinder vorgehabt, heute nacht zum Bergwerk zu gehen.« Gurley hielt inne und fuhr fort, als keine Reaktion darauf erfolgte. »Soweit ich weiß, ist nur Jay-Jay wirklich dorthin gegangen.«
Ednas Verstand arbeitete wie wild, aber sie brauchte Zeit zum Nachdenken. »Vielleicht sollten Sie besser hierherkommen, Daniel«, sagte sie schließlich.
Wieder entstand eine Pause und dann sprach der Marshal wieder. »Ich werde in zehn Minuten da sein, Miß Edna.«
Edna hängte das Telefon ein und ging dann zum Treppenfuß.
»Diana? Diana!« Ihr Stock krachte gegen das Treppengeländer, und das Geräusch dröhnte durch das ganze Haus. Da sie keine Antwort bekam, stieg Edna die Treppe hoch und bewegte sich so schnell, wie es ihre steifen Beine erlaubten. Sie ging zu Dianas Zimmer und trat ohne anzuklopfen ein. Diana saß im Bett, ein friedvolles Lächeln auf dem Gesicht.
Ednas Augen funkelten vor Wut, als sie ihre Tochter ansah, doch Diana blieb unbewegt, und ihr Blick war ausdruckslos.
»Mama? Was ist denn?«
»Steh auf«, sagte Edna zu ihr. »Daniel Gurley ist auf dem Weg hierher, und er möchte mit dir sprechen.«
Diana runzelte leicht die Stirn, stieg aber aus dem Bett. »Was mag er denn um diese Zeit wollen?«
»Ich bin sicher, er wird's dir sagen«, erwiderte Edna.
Fünf Minuten später traf Dan Gurley ein. Ohne eine Aufforderung abzuwarten, ging er in den Salon, und wartete dann darauf, daß die beiden Frauen sich setzten.
»Haben Sie Jay-Jay heute nacht gesehen?« fragte er schließlich.
»Gewiß nicht«, antwortete Edna bissig. »Hätte ich das, hätte ich Sie angerufen und ihre Eltern
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