Weihnachtsengel gibt es doch
würde, wie seine idealen Arbeitskollegen aussehen sollten, würde er vermutlich diese beiden hier beschreiben. In ihrer Wollhose und dem schlichten Pullover kam Maureen sich alt und schäbig vor.
„Ich wollte nur kurz Eddie Hallo sagen“, sagte sie, nachdem sie sich vorgestellt hatte. „Können Sie mir sagen, wann er zu sprechen ist?“
„Sie können direkt hineingehen.“ Heidi zeigte auf die Moderatorenkabine. „Wir sind zwar live auf Sendung, aber er hat jetzt siebeneinhalb Minuten Musik.“
„Dan ke.“
Eddie winkte ihr erneut, und sie quetschte sich in den engen Raum, der mit allerlei Equipment vollgestopft war, unter anderem mit einer Konsole und einem gepolsterten Stuhl auf Rädern. Sie setzte sich auf den Stuhl. Eddie drückte ein paar Knöpfe, schob das Mikro aus dem Weg und drehte sich zu ihr um.
„Na, stalken Sie mich heute Morgen, Moe?“
Moe. Warum klang das aus seinem Mund so sexy? „Ja, ich habe nichts Besseres zu tun.“
Er lachte. Seine blauen Augen funkelten. Gute Güte, der Kerl hatte funkelnde Augen. Er sollte sich nicht im Radio verstecken.
„Okay“, sagte er. „Was kann ich für Sie tun?“ Er lehnte sich auf seinem Stuhl zurück. Ein enges Radiohead-T-Shirt betonte seine Brust.
Sie ermahnte sich, nicht zu starren. „Ich … wir … müssen einen Spendenaufruf für die Bücherei starten.“
„Sicher, kein Problem.“
„Mir gefällt, dass Sie nicht gezögert haben.“
„Es geht um die Bücherei, nicht um die Nationale Schusswaffenvereinigung.“
„Sehen Sie, und genau das ist das Problem. Jeder mag dieBücherei. Aber wenn es darum geht, sie finanziell zu unterstützen, ruht die Last auf nur einigen wenigen Schultern.“
„Das ist ein bisschen wie beim kommunalen Radio.“ Er zeigte auf die Reihen mit Tassen und Stofftaschen, die Abonnenten als Dankeschön erhielten. „Es scheint in der Natur des Menschen zu liegen, alles umsonst haben zu wollen und zu jammern, wenn es ihm dann weggenommen wird. Dann erzählen Sie mal, was Ihnen so vorschwebt.“
„Es ist ein Notfallaufruf. Für die Bücherei geht es um Leben und Tod, und ich übertreibe nicht. Wenn wir bis Ende des Jahres unser Ziel nicht erreicht haben, müssen wir schließen.“
„Sie machen Witze.“
„Ich wünschte, ich würde welche machen, aber unglücklicherweise ist das mein voller Ernst.“
„Das ist nicht fair. Was brauchen Sie? Wie lautet das Ziel?“
Sie erklärte, dass sie in dieser unglaublich kurzen Zeit das gesamte Jahresbudget aufbringen müssten. Er stieß einen leisen Pfiff aus. „Bis zum Ende des Jahres? In einer Gemeinde von dieser Größe braucht man dafür mindestens ein Jahr, wenn nicht gar zwei.“
„Aber so viel Zeit haben wir nicht.“ Maureen war überrascht, wie nah sie mit einem Mal den Tränen war. Das hier war so wichtig. Erkannte er nicht, wie wichtig es war?
„Ich zerstöre Ihre Seifenblase nur ungern, aber ich glaube nicht, dass das zu schaffen ist. Sogar reiche Leute geben ihr Geld nicht in solch großen Batzen weg.“
„Da haben Sie vermutlich recht. Aber mir hat mal ein Mann gesagt, ich solle ein wenig Vertrauen haben. Vielleicht habe ich ihn aber auch falsch verstanden.“
„Touché“, sagte er.
„Verstehen Sie, ich muss es wenigstens versuchen. Ich könnte nie wieder in den Spiegel schauen, wenn ich nicht allesprobieren würde.“
Er sah sie lange an. In der schalldichten Kabine konnte sie das Schlagen ihre eigenen Herzens hören. Hören, wie es schnell wur de.
„Ich auch nicht“, sagte er. „Also los, gehen wir es an.“
11. KAPITEL
E ddie träumte wieder von dem Engel. Zumindest nahm er – der Eddie in seinem Traum – an, dass er sich in der Gegenwart eines Engels befand. Es war keine Person, sondern eine Vision aus Licht, ein Hauch von Wärme in seiner Seele, ein Gefühl von Geborgenheit, das ihn umgab, eine Ahnung von Sicherheit. Manchmal brachten Eddies Träume Verstörendes ans Licht, aber immer wenn er von dem Engel träumte, legte sich eine friedvolle Ruhe über ihn wie eine frische Decke. Das Licht pulsierte leicht mit dem unausgesprochenen Versprechen, sich in das Gesicht von jemandem aufzulösen, den er kannte, aber dazu kam es nie. Der Traum endete stets kurz vorher und ließ ihn mit der Frage zurück, was sich wohl hinter dem Licht verbarg.
Er schwebte irgendwo zwischen Wachen und Schlafen und nahm den piependen Wecker nur widerstrebend zur Kenntnis. Nur noch ein paar Minuten, bat er den Engel. Nur einen kleinen Augenblick. Er
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