Weihnachtslied (German Edition)
sondergleichen; aber niemand schien sich darüber aufzuregen. im Gegenteil, Mutter und Tochter lachten herzlich und freuten sich darüber, und die letztere, die sich bald in die Spiele mischte, wurde von den kleinen Schelmen gar grausam mitgenommen. Was hätte ich darum gegeben, eines dieser Kinder zu sein, obgleich ich nie so ungezogen gewesen wäre! Nein, nein! Für alle Schätze der Welt hätte ich nicht diese Locken zerdrückt und zerwühlt; und diesen lieben, kleinen Schuh hätte ich nicht entwendet, selbst um mein Leben zu retten. Im Scherz ihre Taille zu messen, wie die dreiste junge Brut tat, hätte ich nicht gewagt aus Furcht, mein Arm würde zur Strafe krumm und nie wieder gerade wachsen. Und doch, wie gern, ich gestehe es, hätte ich ihre Lippen berührt; wie gern sie ausgefragt, damit sie sich geöffnet hätten; wie gern hätte ich die Wimpern dieser niedergeschlagenen Augen betrachtet, ohne ein Erröten hervorzurufen; wie gern dieses wogende Haar gelöst, von dem eine einzige Locke ein unschätzbares Andenken gewesen wäre: kurz, wie gern hätte ich das kleinste Vorrecht eines dieser Kinder gehabt, mit der Bedingung, Manns genug zu bleiben, um seinen Wert zu fühlen.
Aber jetzt wurde ein Klopfen an der Tür laut, was einen so allgemeinen Ansturm hervorrief, daß sie mit lachendem Gesicht und zerknülltem Kleid in der Mitte eines lärmenden Haufens nach der Tür gedrängt wurde, dem Vater entgegen, der nach Hause kam in Begleitung eines mit Weihnachtsgeschenken beladenen Mannes. Aber nun das Geschrei und das Gedränge und der Sturm auf den verteidigungslosen Träger! Wie sie an ihm auf Stühlen hinaufstiegen, in seine Taschen guckten, die Papierpäckchen raubten, an seiner Halsbinde zupften, an seinem Halse hingen, ihm auf den Rücken trommelten oder an die Beine stießen – alles in unwiderstehlicher Freude! Dann die Ausrufe der Verwunderung und des Frohlockens, mit denen der Inhalt jedes Päckchens begrüßt wurde! Die schreckliche Kunde, daß das Kleinste ertappt worden sei, wie es die Puppenbratpfanne in den Mund gesteckt und wohl gar das hölzerne Huhn samt der Schüssel hinuntergeschluckt habe! Die große Beruhigung, als man entdeckte, daß es falscher Alarm gewesen war! Die Freude und die Dankbarkeit und das Entzücken! Dies alles übertrifft alle Beschreibung. Es muß genügen, zu wissen, daß die Kinder und ihre Freunde endlich aus dem Zimmer kamen und über eine Treppe in den obersten Stock hinaufgingen, wo sie zu Bett gebracht wurden und blieben.
Und als Scrooge jetzt sah, wie sich der Herr des Hauses, die Tochter zärtlich an seine Seite geschmiegt, mit ihr und ihrer Mutter an seinem eigenen Herd niedersetzte; und wie er dachte, daß ihn ein solches Wesen ebenso lieblich und hoffnungsfroh hätte Vater nennen und wie der Frühling im öden Winter seines Lebens hätte sein können, da wurden seine Augen wirklich trübe.
»Belle«, sagte der Mann, sich lächelnd zu seiner Gattin wendend, »ich sah heut nachmittag einen alten Freund von dir.«
»Wer war es?«
»Rate mal.«
»Wie kann ich das? Ach, jetzt weiß ich schon«, fügte sie sogleich hinzu, lachend, und auch er lachte. »Mr. Scrooge.«
»Ja, Mr. Scrooge. Ich ging an seinem Kontorfenster vorüber; und da kein Laden davor war und Licht brannte, mußte ich ihn sehen. Sein Kompagnon liegt im Sterben, hörte ich, und er war allein. Ganz allein in der weiten Welt, glaube ich.«
»Geist«, rief Scrooge mit bebender Stimme, »führe mich weg von diesem Ort.«
»Ich sagte dir, daß dies Schatten gewesener Dinge sind«, sagte der Geist. »Gib nicht mir die Schuld, daß sie sind, wie sie sind.«
»Führe mich weg«, rief Scrooge aus. »Ich kann es nicht ertragen.«
Er wandte sich dem Geist zu, und wie er sah, daß er ihn mit einem Gesicht anblickte, in dem sich auf eine seltsame Weise all die Gesichter zeigten, die er bisher gesehen hatte, rang er mit ihm.
»Verlaß mich, führ mich weg. Verfolge mich nicht länger.«
In dem Kampf, wenn es ein Kampf genannt werden kann, wie der Geist, ohne sichtbaren Widerstand seinerseits, von den Angriffen seines Gegners unberührt blieb, bemerkte Scrooge, daß das Licht auf seinem Haupt hoch und hell brannte, und in einem dunklen instinktiven Gefühl jenes Licht sei mit des Geistes Einfluß auf ihn verbunden, ergriff er den Löschhut und stülpte ihn auf des Geistes Haupt.
Der Geist sank zusammen, so daß der Löschhut seine ganze Gestalt bedeckte; aber obgleich Scrooge ihn mit seiner ganzen Kraft
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