Weihnachtszauber 01
gekommen?“ Dann erst sah sie, was auf dem Tisch lag, und stieß einen überraschten Schrei aus. „Eine Gans?
Wie in aller Welt hast du eine Gans besorgt?“
James zuckte die Achseln. „Ich habe Mutters Anhänger verkauft. Sie hat ihn mir doch gegeben, und ich dachte, sie hätte gewollt, dass wir uns zu Weihnachten etwas gönnen. Außerdem habe ich mir so viele Fehler in der Bibliothek geleistet, und du wirst bald heiraten, also können wir ein wenig Geld gebrauchen.“
Hinter sich hörte sie Williams Schritte. Er war ihr die Treppe hinauf gefolgt.
„Woher weißt du, dass ich heiraten werde? Ich habe es selbst eben erst erfahren.“
James bedachte sie mit einem ungeduldigen Blick. „Wenn du das nächste Mal ein Geheimnis hüten möchtest, Lavinia, kritzle lieber nicht überall ‚Mrs. William White‘
aufs Papier jedes Mal, wenn du die Feder prüfst.“
Sie errötete. „James, bitte. Er ist gleich hier. Verrat es ihm nicht.“
„Aber nein, Gänschen“, sagte ihr Bruder amüsiert.
William blieb zögernd an der Tür stehen, als wäre er nicht ganz sicher, ob man ihn in der Familie willkommen heißen würde.
James hielt den Topf hoch und begrüßte William mit einem freundlichen Grinsen.
„Möchten Sie ein wenig Glühwein probieren?“, fragte er ihn. „Es ist zwar mein erster Versuch, welchen zu kochen, aber für den freudigen Anlass ist ein Glas Wein doch genau das Richtige, oder?“
EPILOG
London,genau dreizehn Jahre später
„Mr. White.“
William sah von seinem Schreibtisch auf. Er arbeitete nun seit vielen Jahren für Gareth Carhart, seit einem Jahr Lord Blakely. Die Pflichten, die er übernehmen musste, hatten im Lauf der Zeit zugenommen.
„Vor einem Jahr“, wandte der neue Marquess sich an ihn, „sagten Sie, Sie könnten mir bei der Führung der neuen Ländereien helfen. Worauf ich Ihnen für eine kurze Zeit die Gelegenheit gab, sich zu bewähren.“
William wusste, dass er jetzt seine eigene Meinung nicht einbringen durfte, obwohl der Marquess kurz innehielt. Lord Blakely mochte es nicht, wenn man ihn unterbrach.
„Und das haben Sie. Ich gratuliere Ihnen. Die Stellung und das Gehalt, das damit einhergeht, sind Ihnen sicher.“
„Ich danke Ihnen, Mylord.“ Er war nicht überrascht, denn er hatte Seiner Lordschaft treu und gut gedient, und so abrupt seine Art auch war, der Marquess hatte sich als gerechter Mann erwiesen.
Wieder ein kurzes Schweigen, bevor Lord Blakely auf die Uhr sah. „Nun? Es ist drei Uhr. Sollten Sie nicht schon auf dem Weg nach Hause sein?“
Eins der vielen Zeichen seiner Großzügigkeit war, dass der Marquess seine Angestellten an Heiligabend ganze drei Stunden früher nach Hause schickte.
Gehorsam erhob William sich und griff nach seiner Tasche. „Mylord.“ Er ging bis zur Tür, doch an der Schwelle hielt er inne. „Mylord, wenn ich darf, möchte ich ...“
„Nein“, wurde er unterbrochen. „Sie dürfen nicht. Ich habe kein Verlangen danach, mir Ihre unaufrichtigen Wünsche für ein schönes Weihnachtsfest anzuhören.“
William beugte den Kopf. „Wie Sie wollen, Mylord.“
Im Gegensatz zu seinem Großvater, der es liebte, im Büro in der Chancery Lane zu erscheinen und über seine armen Schreibkräfte hereinzufallen wie eine der ägyptischen Plagen, zog es der gegenwärtige Marquess vor, sich von William White in seinem Stadthaus in Mayfair alles Wichtige berichten zu lassen. Der Vorteil dieser Vorgehensweise für William an diesem Tag war, dass sich sein Weg nach Hause – ein schönes Häuschen in einer angesehenen Gegend der Stadt – erheblich verkürzte.
Kaum hatte William eine Weile später die Tür zu seinem Haus geöffnet, da schlug ihm der Duft nach Zimt entgegen. Doch irgendetwas fehlte, das er nicht sofort ausmachen konnte. Bis ihm klar wurde – im Haus war es so still. Es war erstaunlich still.
Lavinia saß in einem Sessel und spielte mit einer Haarlocke, während sie in der Zeitung las. William lächelte amüsiert. Wie immer vertiefte sie sich in die Finanzspalte der Zeitung und nicht etwa in einen Roman. Sie sah mit dem golden schimmernden Schultertuch, das sie sich umgelegt hatte, reizend aus, und er blieb einen Moment in ihren Anblick versunken stehen. Für ihn gab es keinen Zweifel, dass sie die schönste Frau war, die er je gesehen hatte.
In diesem Moment blickte sie auf und lächelte. „Lass mich raten“, sagte sie. „Wenn du so stumm dastehst, hast du dem Marquess meine Einladung zum Weihnachtsessen übermittelt
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