Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Weinzirl 02 - Funkensonntag

Weinzirl 02 - Funkensonntag

Titel: Weinzirl 02 - Funkensonntag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicola Förg
Vom Netzwerk:
hob ihren Rock. Obszön, dachte Gerhard. Einer der
Burschen, den er vom Sehen kannte, hastete vorbei. Gerhard rief ihm nach: »Heh,
Quirin, schlechtes Omen für das Frühjahr, was?«
    Quirin sah ihn an, als wäre er gerade von weither aus einem anderen
Orbit in Eckarts gelandet. »Dann brennt er eben nicht!«, presste er sich ab.
    Armer Kerl, dachte Gerhard. Sie hatten so dafür geschuftet, und nun
hatte der Wettergott keinerlei Einsehen mit der Dorfjugend. Ein anderer Bursche
kam vorbei. »Wöllet dir dia Funkastanga schätze?«, fragte er den investigativen
Schreiberling, der ihn ansah wie einen Außerirdischen.
    Jo trat dazu. »Sie können die Länge der Stange schätzen, an der die
Hexe hängt. Ein Euro Einsatz, der Gewinner kriegt einen Gutschein fürs Rössle!«
    Der Investigator sah sie an, lange und mitleidig. Dann wandte er
sich an den Burschen. »Die Stange misst 14,45 Meter, ich habe den untrüglichen
Blick!«
    Der Bursche nickte freundlich und notierte die Zahl auf seinem
Klemmbrett. »Dr Name?« fragte er.
    Wieder warf der Investigator dem Burschen einen Blick zu, als würde
er im Zoo über den Zaun spechten und versuchen, die Sprache der Gibbons zu
verstehen.
    Nun sprang Jo ein. »Er braucht Ihren Namen, um Sie als eventuellen
Gewinner später ausrufen zu können.«
    Der Name kam – was nicht kam, war der Euro Wetteinsatz. Der Bursche
schaute irritiert zu Jo und Gerhard, der ihm schließlich den Euro zusteckte.
    Gerhard atmete tief durch und ließ den Blick über die Szenerie
gleiten. Am Fuße des Funkens hatten sich kleine Pfützen gebildet, kleine »Hot
Pots«, isländische Geysire en miniature, von denen Dampfschwaden aufstiegen.
Der Wind hatte zugenommen. Die Hexe schaukelte unbehelligt vom Feuer und wirkte
wie ein Crashtest-Dummy nach dem Aufprall im Windkanal. Sie hatte grell
geschminkte, feuerrote Lippen, ihre Unterhosen waren spitzenbesetzt, und das
Feuer mühte sich weiter redlich, ihrer habhaft zu werden.
    »Na, die werden jetzt schon was Brennbares reinschütten«, mutmaßte
Gerhard und schaute Jo scharf an, die immer noch neben ihm stand.
    Tatsächlich sahen sie einen Mann mit einem großen Kanister
vorbeihasten. Plötzlich stieg auf einer Seite eine Stichflamme auf, jäh, gewaltig
und taghell. Das Licht verzerrte die regennassen Gesichter zu Fratzen.
    Jo suchte mit Blicken »ihre« Journalisten. Die Augen waren
aufgerissen, und auch einer wie der Investigator hatte alle maskenhaften Züge
verloren. Auf ihren Gesichtern spiegelte sich Schauer, Wollust und eine Portion
Unverständnis. Die Flammen fraßen sich höher, aber so sehr die Burschen sich
auch mühten, der Funken wollte nur sehr einseitig auflodern, der Wind tat ein
Übriges. Die Hexe mit ihrem geblähten Rock hing weit entfernt von Rauch und
Funken. Wie unvorstellbar grauenvoll musste es damals gewesen sein, nicht
gleich einen gnädigen Erstickungstod zu sterben. Jo verspürte eine Übelkeit.
Und plötzlich, ganz ohne Vorwarnung, kippte ein Teil des Funkens zur Seite. Wie
bei einem Feuerwerk schossen Flammen in den nachtschwarzen Himmel, kleine
Explosionen zerschnitten die Stille.
    Jo hörte Gerhard rufen: »Jesus Maria«, und gleich darauf war das
schrille Gekreische eines kleinen Mädchens rechts neben ihr zu vernehmen.
    Vielleicht einen Meter von ihr entfernt ragte ein Ast bizarr aus dem
Feuer. Ein Holz, an dessen Ende sich kleine Zweige krümmten. So eine Art
Wurzelsepp, geschnitzt für Touristen. Die gekrümmten Holzfinger zeigten ins
Helle des Feuers. Diese Finger sahen verkrampft aus, so als hätte sich der
Wurzelsepp noch verzweifelt irgendwo festgehalten. So was Schauriges schnitzt
man doch nicht, dachte Jo, und dann wurde ihr langsam klar, dass das gar kein
Holz war und kein knorziger Wurzelsepp. Diese Finger, die schwarz-bläulich schimmerten,
gehörten zu einem echten Arm. Zu einem menschlichen Arm! Er steckte in einem
Fleece-Pullover, der angekokelt und durch die Hitze teils geschmolzen war.
Zusammengeschmolzen zu einer roten Wunde.
    Gerhard hatte schon das Handy draußen und die Kollegen informiert.
Während Jo noch immer auf den Arm starrte, hatte er schon drei Männer zusammen,
die mit ausgebreiteten Armen die Menge zur Straße dirigierten.
    »Schaff deine Journalisten hier weg!«, schrie Gerhard im Gehen und
wedelte mit den Armen. »Ihre« Journalisten standen auf der anderen Seite des
Haufens und blickten verwirrt.
    »Ist es schon vorbei?«, fragte die junge Praktikantin mit
Mickymaus-Stimmchen. »Die Hexe brennt

Weitere Kostenlose Bücher