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Weinzirl 02 - Funkensonntag

Weinzirl 02 - Funkensonntag

Titel: Weinzirl 02 - Funkensonntag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicola Förg
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lodernden Feuers den
Winter auszutreiben hatte. Ein perfider Witz: Da war nichts mehr auszutreiben,
der Winter hatte bis dato kaum stattgefunden. Dennoch hob Jo an, den Anwesenden
den Sinn und Ursprung des Funkens zu erklären.
    »Das Funkenfeuer wird als heidnischer Kult zur Vertreibung des
unliebsamen, strengen und eiskalten Winters gedeutet und hat sich im Allgäuer
Raum, im Schwarzwald, in der Ostschweiz, in Vorarlberg sowie im Tiroler
Oberland oder auch im Vinschgau bis zum heutigen Tag als traditionelles
Brauchtum erhalten. Kaum ist die Fasnacht vorbei, beginnen die Vorbereitungen
für den alljährlichen am Funkensonntag stattfindenden Funken. Das ist immer der
erste Sonntag nach Aschermittwoch. Jede Gemeinde hat ihre Funken-Aufbauer, die
schon Wochen und Monate vorher Holzvorräte gesammelt haben. Meist am Vortag
werden sie an eine exponierte Stelle gebracht und zu einem großen Haufen
aufgeschichtet, je höher der Funken, umso besser. In die Mitte des Haufens
steckt man nun eine lange Holzstange, normalerweise die Funkentanne, die am
Faschingsdienstag geschlagen wird. Sie kann bis zu dreißig Metern hoch sein. An
ihrem Ende ist die ›Funkenhex‹ befestigt. Das ist eine aus Stroh gefertigte und
mit alten, bunten Kleidungsstücken ausstaffierte Puppe. So gegen neunzehn Uhr
zieht dann die ganze Gemeinde mit brennenden Fackeln zum Funken und zündet ihn
an. Nun beweist sich die Kunst der Funkenbauer, je länger der Funken braucht,
um ganz abzubrennen, desto besser wurde er gestapelt. Im Bauch der Hexe
befindet sich manchmal Schießpulver. Erreichen die Flammen die Hexe, explodiert
sie mit einem heftigen Knall.«
    »Puh, das ist ja ganz schön martialisch«, sagte Alexandra, »zumal
ich zu wissen glaube, dass die letzte Hexenverbrennung in Deutschland
ausgerechnet in Kempten stattgefunden hat. Das ist doch schon ein bisschen
makaber, oder?«
    Jo nickte. »Ja, aber historisch gibt es gar keinen Zusammenhang. Der
älteste Beleg für den am Funkensonntag stattfindenden Feuerbrauch stammt aus
einem lateinischen Brandbericht des Benediktinerklosters Lorsch aus dem Jahr
1090. Weitere Belege gibt es aus dem 15. Jahrhundert aus Basel sowie aus dem
16. und 17. Jahrhundert aus Bregenz und Innsbruck. Der Brauch war damals viel
weiter verbreitet als heute. Erst mit der Aufklärung wurde er zurückgedrängt.
Die Verbrennung einer Hexenpuppe auf dem Funken ist aber nicht ein Rest der
schrecklichen Hexenverbrennungen der frühen Neuzeit, sondern vermutlich erst im
19. Jahrhundert in Anlehnung an die Fasnacht entstanden. Die Puppe sollte
einfach bunt aussehen und gaudig – wie es in einer Quelle heißt. Nach dem
Ersten Weltkrieg ließ der Brauch des Funkenabbrennens stark nach. Aufgrund des
allgemeinen Holzmangels war er sogar einige Jahre verboten.«
    »Und wozu dient das Ganze nun?«, wollte die Schupfnudel wissen.
    »Tja, da streiten sich die gelehrten Geister. Einige behaupten, der
Funkensonntag sei das Relikt eines germanischen Frühlingskultes oder eines
heidnischen Neujahrsfestes. Die wahrscheinlichste Version deutet den Funken in
engem Zusammenhang mit der Fasnacht. Und dann gibt es noch eine ganz profane
Interpretation, die wohl auch zutrifft: Der Funken diente zur Verbrennung von
Unrat. Heute noch werden alte Christbäume in den Funken geworfen, und das Ganze
hat somit wirklich etwas mit der Frühjahrsreinigung von Haus und Hof zu tun.«
    »Das wäre dann aber eine ziemliche Entzauberung«, meinte Alexandra.
    »Ja, das sehe ich auch so, und die Interpretation des
Winteraustreibens gefällt mir besser. Außerdem hat der Funken einfach was mit
der Identität der alemannischen Stämme zu tun. Ein Freund aus Wien hat mir
erzählt, dass eine Weile lang die in Wien lebenden Vorarlberger auf der
Himmelwiese in Wien einen Funken abgebrannt haben.«
    »Tu felix Vorarlberg«, sagte Jens lachend. »Und was haben die Wiener
dazu gesagt?«
    »Es verboten trotz ihrer morbiden Zentralfriedhofsmentalität,
irgendwie war der Funkenflug zu stark«, gab Jo grinsend zur Antwort.
    Sie entspannte sich allmählich etwas. Das Reden und Erklären tat ihr
gut, vielleicht würde die ganze Pressereise ja doch noch ein Erfolg werden.
    »Ist das dann hier nicht auch gefährlich?«, fragte die junge
Praktikantin.
    »Nein, die Funken stehen immer weit außerhalb des Ortes, die
Feuerwehr ist präsent und die Funkenwache auch. Ach ja, die ist übrigens
besonders wichtig, denn sie muss in der Nacht von Samstag auf Sonntag den
Funken bewachen. Wenn

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