Weinzirl 03 - Kuhhandel
Gerhard hatte alle Mühe, ihren Redeschwall in die notwendige
Richtung zu lenken.
»Hatte Svenja einen
Freund?«
Auch hier folgte
eine Abhandlung über die Jugend, die Partner wechselte wie Unterhosen. Von
Svenjas Männern wusste sie zu berichten, dass der letzte Übernachtungsgast vor
Monaten, also im Frühsommer dieses Jahres, gesehen worden war. Auch nur kurze
Zeit sei das gewesen. Sie führte wohl Buch! Der sei öfter da gewesen, »so ein
Blutjunger, der hätt ja ihr Sohn sein können, ich bitte Sie.«
Aber sonst ließ
Wachhund Edeltraut auf Svenja nichts kommen, hatte die es doch geschafft, das
»Bubele« zu behandeln, wo doch »Bubele« schon vier Tierärzte schwer verletzt
und damit verschlissen hatte. Das glaubte Gerhard sofort, so, wie der Kater ihn
jetzt gerade ansah.
»Mei, die arme Frau
Doktor Svenja. Ein Selbstmord. Sich so an Gott zu versündigen. Aber man kann
nicht reinschauen in die Leute.« Sie sagte das so, als sei die Tatsache von
Svenjas Ableben weniger gravierend, als sich an Gott versündigt zu haben.
Nachdem Gerhard und
Evi erfolgreich einen Kaffee und ein dazugehöriges Kaffee-Likörchen – »der Beli
ist so teuer, der vom Aldi ist genauso gut« – abgewehrt hatten, machten sie
sich erneut an die Untersuchung von Svenjas Wohnung. Da gab’s nichts
Spannendes. Vom Kühlschrank war ein Vakuum zu vermelden, ähnlich wie es in
Gerhards Kühlschrank herrschte: ein abgelaufener Joghurt, eine angebrochene
Milch, eine Flasche Wein, ein Glas Essiggurken, einige asiatische Chutneys.
Auch das Schlafzimmer wirkte gesichtslos. An einer Kleiderstange, die von einem
bunten Vorhang verborgen war, hingen Jeans, Latzhosen und Wanderjacken. Es gab
ein Sommerkleid und ein Dirndl. Gerhard notierte zudem die wenigen weiblichen
Kosmetika. Eine Gesichtscreme, gekauft bei Schlecker, ein Deo, Zahnbürste,
Zahnpasta – das war’s. Im Schuhschrank im Gang standen bis auf ein Paar
schwarze Pumps nur praktische Schuhe wie Turnschuhe, Bergschuhe, Gummistiefel
und braune Slipper. Auf dem Schreibtisch lagen alte Zeitungen.
Was er entdeckte,
war ein Ordner mit offiziellen Dokumenten. Der war allerdings schon interessant
– in zweierlei Hinsicht: Das Pflegeheim für den Vater kostete
viertausendeinhundert Euro im Monat, wovon tausend aus einer Rente bestritten
wurden. Den Rest bezahlte augenscheinlich Svenja, deren Gehalt ziemlich genau
das Heim deckte. Wovon sie die Miete, Auto und sonstige Ausgaben zahlte, war
nebulös. Ihr Konto jedenfalls wies dreitausendachthundert Miese aus, ein
Sparbuch oder sonstige Geldanlagen gab es auf den ersten Blick keine.
Bedenkenswert fand Gerhard zum Zweiten, dass in unregelmäßigen Abständen
Geldsummen von zwei- bis dreitausend Euro auf das Konto geflossen waren.
»Frau Bodenmüller,
hat Svenja ihre Miete immer pünktlich bezahlt?«, fragte Gerhard an die »Hausfrau«
gewandt, die die Durchsuchung natürlich mit scharfem Blick überwacht und
mehrfachem »Machen Sie fei nix kaputt!« kommentiert hatte.
»Ja, sicher, und
immer bar«, strahlte sie.
Gerhard stutzte.
»Kein Dauerauftrag oder so?«
»Nein, immer bar!«
Als sich Gerhard und
Evi verabschiedeten, war es 23 Uhr geworden. Da es keine Verwandten gab, die
man informieren musste, beschloss Gerhard, den Besuch beim Arbeitgeber von
Svenja, Dr. Ostheimer, bis auf morgen zu verschieben.
Schweigend fuhr er
zum Präsidium. Evi saß neben ihm, und so verbissen er auch geradeaus starrte,
spürte er doch, dass sie ihn von der Seite ansah. Scheiße! Das Schuldgefühl,
Evi wehzutun, wenn er sie jetzt nicht mehr »auf einen Kaffee« einlud, machte
sich breit. Evi war attraktiv und sexy, und so ganz wollte er die ihm
dargebotene offene Tür ja nicht zuschlagen. Scheiße! Als er neben Evis Auto,
einem kleinen Micra, anhielt, murmelte er was von »extrem müde« und »morgen
müssen wir ganz früh bei diesem Ostheimer sein«.
Evi stieg aus, ohne
Gruß.
Auch am nächsten
Morgen, als sie sich um 7 Uhr 30 trafen, war sie betont spröde und
professionell. Ihre Augen sahen verquollen aus, sie wirkte übernächtigt. Als
Gerhard in Nesselwang überraschend in den Hinterhof der Post einbog, hörte er
Evis ersten Kommentar.
»Um die Zeit
solltest nicht mal du Bier trinken!« Das kam so richtig giftig.
»Nein, aber einen
Kaffee. Ohne Kaffee kann ich keinen klaren Gedanken fassen.«
Evis Blick besagte,
dass sie an seinen klaren Gedanken von Haus aus zweifelte. Gerhard stürzte zwei
schwarze Kaffee hinunter, Evi trank einen Kräutertee, und
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