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Weiß wie der Tod

Weiß wie der Tod

Titel: Weiß wie der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roman Rausch
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Metall dröhnten jenseits des Walls herüber. Im Sand verliefen Fußspuren. Sie führten zum geöffneten Haupttor. Inmitten der Wehranlage tobte ein erbitterter Kampf. Arme und Beine wurden abgetrennt, Blut spritzte gegen die Steine und versickerte im Sand. Das Feuer erhellte für einen Augenblick ein Gebilde. Die Silhouette war übermenschlich groß. Schwer zu sagen, was es war. Ein langer Arm, ein fester Körper, Beine und Rollen?
    Levy startete den Clip erneut. Kurz bevor er zu Ende ging, schaltete er in den Einzelbildmodus. Bild für Bild tastete er sich zu der letzten Aufnahme vor.
    Da war sie. Dieser Schatten war kein Schatten, sondern ein mehrere Meter hohes Gebilde aus Holz – ein Pferd.
    Das war die Schlacht um Troja.
    Levy wechselte zurück ins E-Mail-Programm. Kein Absender, kein Betreff. Die Mail kam aus dem Nirgendwo.
    Der Mail-Server konnte einen Aussetzer gehabt haben. Hatte zwei oder mehrere Accounts einfach durcheinandergebracht. Wahrscheinlich. Dieses Video sagte ihm nichts. Es hatte keinen Bezug, keine Aufforderung, keinen Ursprung.
    Er löschte die Mail, fuhr den Rechner herunter und versuchte zu schlafen.
    Das Trojanische Pferd ging ihm durch den Kopf, während er an die nackte Decke blickte. Das einfallende Straßenlicht spiegelte Wassertropfen darauf, die sich vereinten und an anderer Stelle wieder lösten.
    Woher kannte er diese Bildsequenz? Sie war sehr alt und kam ihm seltsam vertraut vor.
    Er erinnerte sich an Irene Papas, die die Penelope spielte, Odysseus’ Ehefrau. Der Film war in Farbe gedreht worden und stammte aus den sechziger Jahren. Später lief die Serie auch im holländischen Fernsehen.
    Levy hatte die aufregenden Abenteuer des Odysseus Sonntag für Sonntag verfolgt. Danach spielte er die Szenen im Garten nach. Zu Beginn war seine Identifikationsfigur eindeutig. Es konnte nur Achilles sein – der unverwundbare Heißsporn, der seine Feinde im Sturmlauf niedermachte. Mit der Einnahme Trojas war es damit vorbei. Die einzige Schwachstelle war durch den Pfeil des Paris durchbohrt worden. Die Ferse des Achill.
    Was hatte sie mit ihm zu tun?

36
    Während Dragan Milanovic mit dem BKA telefonierte, um das Ergebnis des DNA-Vergleichs zu erfragen, stand Levy neben dem geöffneten Leib Mandraks. In seiner Hand ein Foto mit der Tätowierung, von der Dragan gesprochen hatte. Sie stimmte mit der Mandraks überein. In beiden Fällen war sie mit Nadel und Tinte in die Haut gestochen worden. Die Aufnahme stammte von einem Freddie Holbein, der drei Jahre zuvor in der Psychiatrischen Klinik in Hamburg-Ochsenzoll Selbstmord verübt hatte.
    Noch fehlte die zweifelsfreie Bestätigung durch das BKA, ob es sich bei dem Toten tatsächlich um Holger Mandrak handelte. Doch das schien nur Formsache.
    Levy beugte sich über den geöffneten Leib, der von einer braunschwarzen Haut zusammengehalten wurde. Das Gewebe wirkte pergamentartig, zundrig und roch stechend muffig. Die inneren Organe waren auf die Hälfte geschrumpft, die Haare rötlich verfärbt. Stockschläge, die über den ganzen Körper verteilt waren, zeichneten sich als schwarze Streifen ab.
    Wer hat dich in deinem geheimen Versteck besucht?, fragte sich Levy. Wer konnte davon wissen, und warum hat er dir das angetan?
    Du musst jemanden sehr verletzt haben. So sehr, dass es für dich keine Hoffnung auf einen schnellen Tod gegeben hatte. Hass konnte dahinterstecken. Hass, der lange vor dem Besuch angefangen und der viel Zeit zum Reifen benötigt hatte. Hass, der sich in der exzessiven Gewalt widerspiegelte.
    »Er ist es«, sagte Milanovic. »Die DNA stimmt mit dem Profil in der Sexualstraftäterdatei des BKA überein. Dieser Mann ist Holger Mandrak.«
    Levy nickte zustimmend. »Und was war die Todesursache?«
    »Bruch des fünften Halswirbels.«
    »Wie wurde ihm die Verletzung zugefügt?«
    »Kein Sturz, kein Schlag. Es schaut alles ganz danach aus, als hätte ihm jemand das Genick mit der Hand gebrochen.«
    »So wie in einem Schwitzkasten?«
    »Ja, mit einer schnellen und heftigen Drehung des Kopfes zur Seite.«
    »Das heißt, es muss jemand mit großer physischer Kraft gewesen sein.«
    »Ja, ansonsten wäre der normale Widerstand des Opfers zu groß. Doch hier kann es sich um eine Ausnahme handeln.«
    »Du meinst, Mandrak war ohnmächtig?«
    »Entweder das, oder er war betäubt.«
    Levy schaute auf. »Wie kommst du darauf?«
    »Die Kollegen haben Flunitrazepam nachgewiesen, das unter dem Handelsnamen Rohypnol bekannt

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