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Weiss wie der Tod

Weiss wie der Tod

Titel: Weiss wie der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roman Rausch
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sein Kollege herüber. Thorsten erschrak für einen Moment, glaubte sich ertappt.
    «Ja, was ist damit?»
    «Sie wollen wissen, was aus ihrem Hinweis geworden ist.»
    «Worum ging es da nochmal?»
    «Die verschwundene Tochter. Der Fall Jannicke.»
    Thorsten erinnerte sich. Jannicke, ein achtjähriges Mädchen, war vor vier Wochen im türkischen Antalya verschwunden, während die Eltern durch die Altstadt bummelten. Sie hatten sie, ihrer Aussage nach, für einen Moment aus den Augen gelassen, als sie mit einem Händler über den Preis eines Teppichs feilschten. Die umgehend eingeleitete Suchaktion war ergebnislos verlaufen. Im Zuge der Ermittlungen kam ein Kinderhändlerring ins Spiel, der sich auf Kinder von Touristen spezialisiert hatte. Die Kleine jemals wiederzufinden erschien den Behörden aussichtslos. In letzter Zeit hatte sich die Nachfrage bei kinderlosen Paaren und in der Kinderpornographiebranche erhöht. Doch das konnte man den Eltern nicht sagen. Noch nicht.
    Vier Wochen war eine lange Zeit, dachte Thorsten. Vier Wochen waren achtundzwanzig Tage oder sechshundertzweiundsiebzig Stunden oder vierzigtausenddreihundertzwanzig Minuten der Ohnmacht, der Selbstvorwürfe, der Verzweiflung.
    Er kannte diese Gefühle gut. In seinem Fall waren es zweieinhalb Millionen Sekunden, insgesamt neun Wochen, in denen seine Tochter verschwunden war. Von einer Sekunde auf die andere hatten sein altes Leben und das seiner Familie aufgehört zu existieren. Das neue begann mit derselben Dramaturgie wie bei den Lüppertz. Die aus dem Nichts hereinbrechende Ohnmacht machte ihn sprach- und handlungslos. Bevor er überhaupt begriffen hatte, was geschehen war, überfielen ihn Schuldgefühle und Wut, die aus ihm herausdrängte. Zuerst auf den Täter, dann auf sich selbst, weil er versagt hatte.
    Blindwütig verfolgte er jede noch so abenteuerliche Spur. Egal, was ihm seine Kollegen rieten, nichts konnte ihn besänftigten. Er musste sie wiederfinden. Nicht die Kollegen, denn sie hatten damit nichts zu tun. Es war allein seine Aufgabe, seine ureigene Schuld. Sie trieb ihn in die Erschöpfung, die er sich nicht leisten konnte. Und wenn er doch eine Minute schlief, dann brachte ihn die Vorstellung, was in diesem und jedem weiteren Moment mit seiner Tochter passieren konnte, um den Verstand. Er hörte sie weinen und nach ihm rufen. Ihr Schreien drang ihm bis ins Mark und machte ihn schier wahnsinnig.
    Seine Tochter rief nach ihm in jeder einzelnen dieser verdammten zweieinhalb Millionen Sekunden. Und er war zur Tatenlosigkeit verurteilt. Sofern es eine Hölle gab, dann war es diese. Einen Teufel fürchtete er seitdem nicht mehr.
    An dem Tag, als er sie wieder in die Arme schließen konnte, fragte er nicht, was sie erlebt hatte. Er war einfach nur glücklich und erlöst, dass sie lebte.
    Erst viel später fand er heraus, welche Hölle sie durchlitten hatte. Und wusste, dass er zu einem Mord fähig war.

40
    V erdammt, wo steckte Katie nur?
    Levy hatte sich durch die Straße gefragt. Eines der Mädels meinte, sie habe einen Tag freigenommen, ein anderes wollte sie ein paar Meter weiter in der Kneipe gesehen haben.
    Es ging ihm nicht gut. Das Crystal hatte seine Wirkung eingebüßt, und der fehlende Schlaf der letzten Tage forderte seinen Tribut. Er war erschöpft und hätte auf der Stelle umfallen können. Wenn nur nicht diese Unruhe in ihm gewesen wäre. Sie hielt ihn davon ab, die Augen zu schließen, um sich dem Schlaf hinzugeben. Ein paradoxes Gefühl, todmüde zu sein, aber nicht schlafen zu können.
    Alexej war nicht zu erreichen. Sein Angebot, für Nachschub zu sorgen, war die letzte Hoffnung gewesen. Er musste sich irgendwo zwischen Büro und Wohnung aufhalten. Levy würde es gleich noch einmal bei ihm versuchen. Er blickte sich um. Hatte er noch etwas zu Hause, was ihm Erleichterung verschaffte?
    Der Kühlschrank. Eine Flasche Sauza müsste noch da sein.
    Mit der geöffneten Flasche legte er sich ins Bett. Sie war bereits halb leer, als er die besänftigende Wirkung des Alkohols auf seine Unruhe spürte. Wie ein schwarzes, nasses Tuch würde der Tequila die Flammen unter sich ersticken. Er atmete erleichtert auf.
    Doch nur für einen Moment. Im Dunkel der Wohnung meinte er ein Knarren der Tür zu hören. Er fuhr hoch, versuchte blinzelnd, etwas zu erkennen. Stand da jemand?
    «Katie», rief er, «bist du das?»
    Keine Antwort.
    «Lass die Spielchen, Katie. Komm her.»
    Niemand kam.
    Er stand auf, nahm die Tequilaflasche als

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