Weissbier im Blut - Ein Kriminalroman aus dem bayerischen Unterholz
richtigen Schock. Das ist dann für uns Polizeibeamte immer mit Scherereien verbunden. Ich hab schon Fälle gehabt, da hab ich den Notarzt holen müssen. So ein Geschrei und Gezeter war das.«
»Jetzt schaun wir erst mal, ob er auch wirklich tot ist.«
»Hatte Ihr Mann Feinde?«
»Mei, Feinde… Die Lehrer mögen ihn alle nicht. Da hat’s schon Beschwerden gegeben, beim Direktor.Aber der will sich mit dem Max auch nicht anlegen.«
»Der Direktor? Wieso denn das?«
»Der Max macht sich über alles Notizen. Alles, was passiert. Damit eine Ordnung in die Schule kommt. Früher, wie es den Eisernen Vorhang noch gegeben hat, da ist er mal ins Lehrerzimmer und hat die Lehrer nur angestarrt, ohne dass er was gesagt hat, minutenlang, mit verschränkten Armen, bis alle ruhig waren. Und dann hat er gesagt: Warts nur, bis der Russ kommt, dann müssts allesamt arbeiten.«
»Was hat er denn gelernt?«
»Also Lesen und Schreiben kann er schon, wenn auch sehr holprig.«
»Und sonst?«
»Gelernt in dem Sinn hat er nichts. Aber er war bei der Bundeswehr. Da hat er das Saufen gelernt.«
Bei einem Kopfschuss muss der Gerichtsmediziner den Schädel aufsägen und das Gehirn herausnehmen. Das muss er dann aufschneiden, um den Schusskanal freizulegen und die Kugel rauszupflücken. Die einzelnen Gehirnteile kommen hernach in eine Formalinlösung. Der Schädel wird mit Zeitungspapier ausgestopft und wieder zusammengeklebt. Es war also eine Frankensteinfassung ihres Mannes, die die Frau Krobel in Klattau zu sehen bekam.
»Was ist denn da passiert?«
Kreuzeders tschechischer Kollege, der sich als »Herr Wacek« vorgestellt hatte, nahm pietätvoll seinen Kaugummi aus dem Mund und wickelte ihn in ein Papiertaschentuch.
»Stören Sie sich nicht an diese Dinge. Für uns ist wichtig: Ist dieser Mann Max Krobel?«
»Also, wenn Sie mich fragen, das könnt er direkt sein.«
»Wir müssen sicher wissen.«
»Da müssenS’ unter das Tuch schaun. Der Max hat nämlich eine Faust eintätowiert, auf der Brust.«
»Dann ist er das.«
Kreuzeder lupfte das Plastiktuch ein wenig und warf einen Blick auf das Kunstwerk.
»Hat das irgendeine Bedeutung?«
»Er war halt ein Angeber. Außerdem hat er einen Hass auf die Studierten geschoben. Wenn einer schlau dahergeredet hat, hat er gesagt: Willst meinen Goethe sehen? Und dann hat er das Hemd aufgeknöpft. Und wenn es Streit gegeben hat, sowieso.«
Der Tote wurde wieder vollständig zugedeckt, und sie verließen ihn und den Gestank nach Desinfektionsmitteln, von denen mehr aufgewandt werden musste, seit der Raum aus Energiespargründen nicht mehr gekühlt wurde. Die frischgebackene Witwe wirkte so unbeeindruckt, dass Wacek seine Befragung gleich fortsetzte, als sie in seinem Büro angekommen waren.
»Wissen Sie, was er in Tschechien gemacht hat?«
»Keine Ahnung. Was soll er schon gemacht haben? Ins Puff wird er sein.«
»Hat er Geschäfte gemacht mit Vietnamesen? Zigaretten zum Beispiel?«
»Pullover hat er sich von denen gekauft. Und Hemden. Alles mit Aufnäher Boss natürlich. Aber das ist ja alles gefälscht. Ich hab ihm immer gesagt, das ist schlechte Qualität, aber das war ihm wurscht. Hauptsache Boss. Er war halt ein Einfaltspinsel.«
»Vielen Dank, Frau Krobel. Sie haben uns viel geholfen. Haben Sie Hunger? Möchten Sie essen?«
»Nein, danke.«
»Kaffee?«
»Einen Kaffee vielleicht.«
»Meine Sekretärin wird Ihnen machen. Wenn Sie was brauchen, Zigaretten, Becherovka, sagen Sie meiner Sekretärin. Ich muss noch kurz sprechen mit dem Herrn Kommissar. Sie haben doch noch Zeit, Herr Kollege?«
»Kommt ganz drauf an.«
»Hier gibt es Wirtshaus mit beste böhmische Küche. Ich verspreche nicht zu viel.«
»Wie schaut’s mit Budweiser aus?«
»Budweiser vom Fass. Auch Pilsener vom Fass. Alles vom Fass.«
»Das klingt schon mal gut.«
Kreuzeder hatte inzwischen keinen Zweifel mehr daran, dass die Tschechen die Leiche über die Grenze geschafft hatten, um sie der deutschen Polizei vor die Haustür zu legen. Das roch nach einem heißen Tanz, bei dem man statt eines Smokings eine schusssichere Weste brauchte. Bei so was hielt sich jeder vernünftige Mensch lieber raus.
Der Klattauer Kollege gab sich alle Mühe, eine gute Stimmung zu erzeugen. Er hatte ein Wirtshaus ausgesucht, bei dem die Bedienung leere Gläser sofort ersetzte. Sie war ständig unterwegs.
»Na zdravi!«
»Prost. Ihr Tschechen macht das beste Bier der Welt. Ihr seids mir sympathisch.«
»Wir haben gutes Bier.
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