Weissbier im Blut - Ein Kriminalroman aus dem bayerischen Unterholz
der Förster mit seinem Hund. Er schimpfte sofort los, dass er nie mehr bei der Polizei anrufen werde, wenn er eine Leiche finde, weil er was Besseres zu tun habe, als fünf Stunden zu warten. Fünf Stunden!
Der Hund war auch wütend, jedenfalls knurrte er böse. Sie fuhren alle in dem Geländewagen über holprige Waldwege, die stellenweise mit zerbrochenen Dachziegeln befestigt waren. Das letzte Stück mussten sie zu Fuß bewältigen. Hier gab es keinen Weg mehr, dafür viel Wurzeln, Sträucher und Farne. Die Strumpfhose der März war für ein solches Gelände nicht geeignet, und ihre Waden bekamen Kratzer.
Kreuzeder hatte nicht zu viel versprochen. Auf der Leiche saßen tatsächlich Hunderte von Fliegen, die wild umherschwirrten, als er sich drüberbeugte.
»Schaut nach einem Kopfschuss aus.«
Der Förster war immer noch ungehalten.
»Hab ich ja gesagt.«
»Wie habenS’ denn den hier gefunden?«
»Mein Hund hat ihn gefunden.«
Plötzlich sprang der Hund mit den Vorderpfoten auf die Leiche und schnappte nach den Fliegen.
»Pfui, Rambo, pfui! Weg da! Platz!«
»Nicht, dass er noch reinbeißt.«
»Der beißt schon nicht rein. Platz! Aber sofort!«
Der Hund hockte sich neben seinen Herrn und knurrte. Kreuzeder deutete den Hang hinauf.
»Sind Sie von dort oben gekommen?«
»Von da? Nein. Aber ich kann mir denken, warum Sie fragen. Ich hab das auch schon gesehen, dass da Spuren sind.«
»Wo kommt man denn da hin?«
»Da kommt der Bach runter. Das sind dann nur noch ein paar hundert Meter zur Grenze.«
Kreuzeder sah sich nach der März um. Ihr Gesicht war wächsern. Sie hatte den Kopf eingezogen und wedelte schwach mit den Armen, um die Fliegen fernzuhalten.
»Kann ich mal Ihr Handy haben, Frau Doktor?«
»Wie? Ja, natürlich. Bittschön.«
Sie kramte hastig ihr Mobiltelefon aus der Jacke und reichte es ihm. Die Miene des Försters verfinsterte sich immer mehr.
»Wie lang wird das hier denn noch dauern?«
»Das kann sich noch Stunden hinziehen. Jetzt muss erst mal die Spurensicherung antanzen, und danach müssenS’ noch mit aufs Revier.«
»Was?!«
Die Äderchen auf den Wangen des Waidmanns wurden lila. Der Kommissar blieb vollkommen ruhig.
»Sie kriegen jetzt eine Menge Scherereien.«
»Ich?!«
»Sowieso. Haben Sie Zeugen?«
»Wofür?!«
»Na, dass Sie die Leiche hier aufgefunden haben. An dieser Stelle hier. Immerhin gibt es Spuren. Da ist noch gar nichts geklärt.«
»Das ist ja wohl das Letzte! Ich bin hier Förster und sonst gar nichts! Und wenn wieder mal eine Leiche in meinem Revier liegt, dann frisst sie der Luchs, das garantier ich Ihnen!«
Der Hund bellte bestätigend.
»Ihr Revier endet an der Grenze, oder?«
»Sowieso.«
»Dann tragen wir ihn einfach wieder rüber, dann hat sich die Sache. Ich bin mir nämlich sicher, dass der von dort drüben rübergeschafft wurde.«
Jetzt kam auch in die Wangen der März wieder Leben.
»Das können Sie nicht machen.«
»Jetzt mischen Sie sich bittschön nicht auch noch ein.«
»Das ist ungesetzlich. Eine Straftat ist das!«
»Dann machenS’ doch eine Anzeige. Aber das wird Ihnen niemand glauben, das sag ich Ihnen gleich.«
Kreuzeder und der Förster haben dann tatsächlich die Leiche auf die tschechische Seite rübergeschafft. Dabei haben sie sie sogar ein Stück weit durch den Bach getragen, um Spuren zu verwischen.
30
Ministerialrat Dr. Kopf war ein bayerischer Beamter vom alten Schlag. Unter seinem schlohweißen Haar lauerte die landestypische Mischung aus Spießertum und Anarchie. Er hatte immer noch ein Bild von Franz Josef Strauß an der Wand, und sein Gesicht konnte von einer Sekunde zur anderen den Ausdruck wechseln. Normalerweise wirkte es korrekt und unpersönlich wie eine Parkscheibe, aber wenn er grinste, strahlte er die Geselligkeit eines ganzen Weißbierkellers aus. Dann sahen seine hellblauen Augen besonders gerissen aus. Jetzt ruhten sie prüfend auf der aufgeregten Psychologin, die er in der Sache Kreuzeder zu einer Anhörung nach Landshut gebeten hatte.
»Also, Frau Dr. März, das sind ja im Grunde Ungeheuerlichkeiten, die Sie uns da weismachen wollen. Wenn ich das alles glauben würde, dann müsste ich sofort einschreiten.«
»Inzwischen ist alles noch schlimmer geworden, Herr Ministerialrat.«
»Das kann ich mir gar nicht vorstellen.«
»Zuletzt hat er sogar eine Leiche verschwinden lassen.«
»Was?«
»Also vielleicht nicht ganz verschwinden, aber er hat sie aus seinem Zuständigkeitsbereich entfernt.
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