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Wellentraum

Wellentraum

Titel: Wellentraum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Virginia Kantra
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Gott, seit er zum letzten Mal im Urlaub zu Hause gewesen war, vor über achtzehn Monaten. Seine kurze Ehe hatte seinen ersten Einsatz nicht überlebt, und seither war niemand mehr interessiert genug gewesen, um auf seine Rückkehr zu warten.
    »Wann sind Sie nicht im Dienst?«, fragte sie.
    Er schüttelte den Kopf. »Was – Sie wollen ein Date?«
    Selbst Sarkasmus brachte dieses Mädchen nicht aus der Ruhe. »Ich würde Sie wiedersehen wollen, ja. Ich bin auch … interessiert.«
    Sie wollte ihn.
    Nicht, dass das eine Rolle gespielt hätte.
    Er räusperte sich. »Ich bin nie außer Dienst. Bis zum Memorial Day bin ich der einzige Polizist auf der Insel.«
    »Ich lebe nicht hier auf der Insel. Ich bin nur« – wieder eine Pause, als wäre Englisch eine Fremdsprache für sie – »auf der Durchreise«, beendete sie den Satz lächelnd.
    Als wäre es völlig in Ordnung, wenn er eine Touristin flachlegte.
    Na ja, war es nicht auch so?
    Der Gedanke tauchte plötzlich ungebeten in seinem Kopf auf. Er wollte sie ja nicht verhaften. Er verdächtigte sie keines anderen Vergehens als des Wunsches, mit ihm zu schlafen, und er war nicht so scheinheilig, ihr das zur Last zu legen.
    Aber er verstand diese Anziehungskraft nicht, die sie angeblich spürte. Die er spürte.
    Und Caleb traute nichts über den Weg, was er nicht verstand.
    »Wo wohnen Sie?«, fragte er. »Ich bringe Sie nach Hause.«
    »Versuchen Sie, mich loszuwerden?«
    »Ich versuche, für Ihre Sicherheit zu sorgen.«
    »Das ist sehr freundlich von Ihnen. Und sehr unnötig.«
    Er steckte die Hände in die Hosentaschen und verlagerte sein Gewicht auf die Fersen. »Wollen Sie mich jetzt loswerden?«
    Sie lächelte, wobei ihre Zähne im Mondlicht weiß aufblitzten. »Nein.«
    »Also was dann?«
    Sie wandte sich zum Gehen. Ihre Füße hinterließen kleine, reflektierende Pfützen im Sand. »Also werde ich Sie wiedersehen.«
    Es widerstrebte ihm sonderbarerweise, sie gehen zu lassen. »Wo?«
    »Hier. Am Strand. Ich gehe abends am Strand spazieren.« Sie sah über die Schulter zu ihm zurück. »Kommen Sie mich doch mal besuchen … wenn Sie nicht im Dienst sind.«

[home]
    2
    D as Tuten der Sechzehn-Uhr-Fähre durchdrang die klare Luft wie eine Sirene und bohrte ein Loch in die Stille von Calebs Büro.
    Mit fester Hand stellte er die Kaffeetasse auf der Schreibunterlage vor sich ab.
    Schon nach sechs Wochen verkrampfte er sich bei dem anschwellenden Heulton nicht mehr, um auf die unausweichliche zweite Explosion zu warten, die Zivilisten und Retter gleichermaßen mit sich riss. Er war mit diesem Pfeifen aufgewachsen, hatte die Fähre auf dem Heimweg von der Schule genommen. Und wenigstens ein Teil von ihm akzeptierte, dass er nun wieder zu Hause war. Allmählich drangen die vertrauten Geräusche und Rhythmen der Insel wieder in sein Bewusstsein und riefen beruhigende Echos in seinem Blut hervor. Der Schrei der Möwen, das An- und Abschwellen der Gezeiten und das allmorgendliche Tuckern der Hummerboote trösteten ihn wie das Schaukeln einer Mutter.
    Ein Fortschritt, dachte er trocken. Vielleicht würde er in zwei Monaten imstande sein, die Straße entlangzugehen, ohne dass sich Nacken und Kiefer verspannten und ohne dass er die Eingänge und Dächer nach Heckenschützen absuchte. Vielleicht würde er auch wieder anfangen, die Nächte durchzuschlafen.
    Das Bild Margreds – Margarets – flackerte in ihm auf: ihr wallendes, dunkles Haar, ihre runden Brüste unter dem weiten Pullover.
»Kommen Sie mich doch mal besuchen … wenn Sie nicht im Dienst sind.«
    Okay, keine gute Idee. Nach dem Chaos, in das er seine Ehe gestürzt hatte, hütete sich Caleb davor, noch eine Beziehung aus lauter Einsamkeit und Bequemlichkeit einzugehen.
    Aber wenigstens hatte er sich in den paar Minuten am Strand gestern Abend wieder lebendig gefühlt.
    Es klopfte an seiner Tür. Edith Paine, die Stadtsekretärin, streckte ihren glatten grauen Bob in Calebs Büro. Edith hatte dem Rathaus schon vorgestanden, bevor das derzeitige Gebäude erbaut worden war. Sie schrieb für die Stadt Rechnungen und stellte Genehmigungen aus, sie führte den Terminkalender der Bürgermeisterin und nahm tagsüber auch eingehende Notrufe an. Caleb ging immer mit dem Gefühl an ihrem Schreibtisch im Vorzimmer vorbei, dass er seine Schuhe abtreten sollte.
    Sie schnaubte. »Bruce Whittaker möchte Sie sprechen.«
    Edith hatte Whittakers Beschwerde vom gestrigen Abend nicht entgegengenommen, denn nach den Bürozeiten

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