Weltenfresser - Die Tränen der Medusa (German Edition)
hatte ihr Blut gegeben für Anemers Suche - der Suche nach dieser Festung, die in Wirklichkeit ein einziger, großer Kerker war.
Aber sie hatten sie im Bauch der Wüste gefunden, ganz so, wie es die Prophezeiung vorhergesagt hatte. Und selbst wenn noch andere Dämonen in den verwinkelten Schatten dieses unterirdischen Labyrinths lauerten – die eigentliche Gefahr ging von etwas anderem aus. Etwas ganz anderem.
Anemer blickte um sich, als fürchtete er, bereits seine Gedanken könnten von dem Übel aufgesogen werden, das tief im schwarzen Herzen dieser Festung gefangen war. Dieses Übel war überhaupt der einzige Grund, weshalb diese gewaltige Festung überhaupt einmal erbaut worden war! Und es war die große Bestimmung seines Lebens, dieses Übel ein für alle Mal vom Angesicht dieser Welt zu tilgen! Anemer atmete tief ein und ließ seinen festen Blick erneut über die ihn begleitenden Männer gleiten.
Sein Blick wurde weich, als er Gorim erblickte. Der Hüne war einer der erfahrensten militärischen Anführer, den Anemer kannte. Er wusste, dass die Soldaten ihrem Kommandanten gegenüber mehr als nur militärische Achtung empfanden. Gorim war ein Berg von einem Mann, von dem oft nur ein einziger, stummer Blick genügte, um Disziplin herzustellen oder erloschenen Kampfesgeist wieder zu erwecken – aber nicht aus Angst, sondern aus Respekt und oft genug auch Freundschaft. Vielleicht wäre er niemals auf diese Odyssee aufgebrochen, wenn Gorim ihm die Gefolgschaft verweigert oder auch nur Bedenken geäußert hätte.
Der Blick der Erhabenen glitt weiter über die erschöpften Soldaten. Ihre Kleidung war starr von Dreck, Schweiß und Blut, die Rüstungen waren an vielen Stellen verbeult und zeigten einige lange, tiefe Kratzer von Klauen - manchmal auch Abdrücke von Zahnreihen. Die grauenhaften Schreie ihrer Kameraden mussten ihnen noch durch die Köpfe hallen.
Auch wenn sie sich nichts anmerken ließen, in ihren Augen sah Anemer, dass die letzten Wochen auch unsichtbare Spuren hinterlassen hatten. Verwundete gab es praktisch keine: Was ihnen begegnet war, nahm keine Gefangenen. Oder bewirkte noch Schlimmeres...
In den Schatten hinter ihren Lichtern war stets Bewegung zu sehen. Lebendige Dunkelheit, die sich grotesk in Spalten duckte, bereit, jederzeit hervorzustürmen und einen von ihnen zu töten. Und immer, wenn sie einen der Marakthan erwischten, zerfiel er zu Staub, der sich bei Dunkelheit von dämonischen Kräften getrieben wieder zusammensetzen würde... Nur Sonnenlicht könnte die Schattengeister endgültig töten. Anemer lächelte grimmig über diesen üblen Scherz – als ob die Sonne hier unten jemals geschienen hätte!
Und noch immer lag das Schwierigste vor ihnen, ihre eigentliche Aufgabe! Der Gefangene, der im schwarzen Herzen dieses Kerkers auf sie wartete. Und dieses Ziel war es wert, mit Blut bezahlt zu werden.
Anemer drehte sich abrupt um und betrachtete grimmig die große, dunkle Mauer, die titanisch vor ihnen in die Höhe ragte. Das Schwarz ihrer Steine war unnatürlich dunkel - es schien fast, als würde das Licht davon förmlich verschluckt.
Der Erhabene betrachtete nachdenklich die vier, mehrere Meter hohen Statuen, die vor der Mauer Spalier standen. Vor unendlich langer Zeit waren sie einst aus einem dunklen Metall gegossen worden und schienen seitdem diesen Ort zu bewachen. Stumme Wächter in der Finsternis.
Es waren zwei Männer und zwei Frauen dargestellt, in prächtige Gewänder gekleidet. Einer der beiden Männer und eine Frau trugen mächtige Schwerter und große Turmschilde bei sich. Längst vergessenen Wappen glänzten golden darauf. Die anderen beiden Figuren trugen leichtere Ausrüstung und schienen auf den ersten Blick keine Krieger zu sein. Anemers hatte gleich erkannt, dass auf der Stirn von zwei Statuen ein drittes Auge angedeutet war. Anemer runzelte die Stirn. Merkwürdigerweise blickten die Statuen in die Dunkelheit hinter ihnen und nicht zu der gewaltigen Mauer hinter sich, hinter der Anemer den Kerker wusste. Sollten diese Wächter denn nicht das Böse bewachen, das dort seit Äonen gefangen war? Warum blickten diese stummen Zeugen großer Taten so abweisend zu den Menschen herunter, die sich durch die verschlungenen Tiefen der Festung hierher hindurchgekämpft hatten?
Anemer kniff die Augen zusammen, als plötzlich etwas seinen Geist berührte wie ein kalter Winterhauch. Es war wieder die Präsenz, die er seit einigen Tagen immer deutlich in seinem Geist gespürt
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