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Weltraumpartisanen 26: Ikarus, Ikarus...

Weltraumpartisanen 26: Ikarus, Ikarus...

Titel: Weltraumpartisanen 26: Ikarus, Ikarus... Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Brandis
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wollte: ich hatte nicht die Absicht, noch mehr Blut fließen zu sehen - und schon gar nicht das meines getreuen Sibiriaken. Stroganow und ich hatten einen ehrlichen Kampf gekämpft, ohne uns zu schonen; wir brauchten nichts unter Beweis zu stellen. Piet Gumboldt war kein Risiko wert.
    Die Waffe lag fest und drohend in seiner Hand.
    Piet Gumboldt war also, als die Astronautenallee einstürzte - wer weiß wie - davongekommen. Und während wir anderen alle Hände voll damit zu tun gehabt hatten, den Ikarus vor dem Absturz in die Sonne zu bewahren, hatte er sich irgendwo im Labyrinth verborgen gehalten, geschlafen und gegessen und auf seine Stunde gewartet. Die Ruhe war ihm bestens bekommen. Sogar seine verletzte linke Hand war so weit wieder hergestellt, daß sie den schweren Koffer tragen konnte.
    Ich stand, sah ihn an und wartete ab.
    Ein letztes Mal ließ er mich jenes verwegene Grinsen sehen, mit dem er seine Komplizen anwarb, mich aber nicht mehr täuschen konnte. Hinter dem jungenhaften Äußeren verbarg sich ein uralter Kern: die ganze Schlechtigkeit der Welt. Hatte vielleicht auch Kain dieses Was-kostet-die-Welt -Lächeln zur Schau getragen, als er Abel erschlug, den eigenen Bruder?
    „Die Welt ist klein, Mark“, sagte Piet Gumboldt, „und wohl oder übel läuft man sich immer wieder über den Weg. Hier auf dem Ikarus ist die Welt besonders klein.“
    Ich mußte mich mit ihm arrangieren: Je rascher, desto besser. Ich mußte es tun, bevor er uns über den Haufen schoß - nur um uns klarzumachen, wie sehr er uns überlegen war.
    „Was wollen Sie, Piet?“
    Eigentlich wußte ich das von der ersten Sekunde an. Aber er sollte es mir sagen. Und er tat es. Er lachte mir ins Gesicht.
    „Nichts, was ich nicht bekommen könnte, Mark“, erwiderte er. „Sie sehen, ich bin noch immer Realphilosoph. Den Koffer habe ich schon. Jetzt nehme ich mir auch noch Ihr Schiff.“
    Es ließ sich nicht verhindern. Sogar Lieutenant Stroganow sah es endlich ein und trat einen Schritt zurück. Die Bell gab den Ausschlag. Piet Gumboldt öffnete den äußeren Lukendeckel und stieg aus.
    „Lassen wir ihn!“ sagte ich zu Lieutenant Stroganow. „Früher oder später wird er seine gerechte Strafe finden.“
    Piet Gumboldt entschwand, den Koffer in der linken, die Bell in der rechten Hand, im Dunkel der Nacht. Sollte er sich die SM 1 nehmen. Der Himmelsmuli hatte seine Schuldigkeit getan. Nach all dem, was hinter uns lag, vermochte mich, was geschah, nicht einmal aufzuregen.
    Irgendwann traten wir hinaus, um den Start zu beobachten.
    „Jetzt ist er an Bord, Sir“, bemerkte neben mir Lieutenant Stroganow mit gepreßter Stimme. „Sie mögen mit allem, was Sie sagen, recht haben - aber mich juckt’s in den Fingern.“
    Im Cockpit war die Beleuchtung angegangen. Piet Gumboldt war deutlich zu sehen, wie er darin seine Vorbereitungen traf für den Start. Ich sah auch, daß er uns bemerkte. Der Sibiriak und ich standen im Schein der reparierten Schleusenbeleuchtung. Im Helmlautsprecher erklang seine Stimme.
    „Mark…“
    „Piet?“
    „Es ist ein Jammer um den Ikarus, Mark“, sagte Piet Gumboldt an Bord der SM 1, „wirklich ein Jammer. Um ein Haar hätte ich den Black-Diamond-Brüdern den ganzen Planetoiden geklaut - um ein Haar! Aber mir bleibt ein Trost, Brandis. Ein Koffer voller Diamanten ist auch nicht zu verachten… Ich hoffe doch, Sie können hören, was ich gerade tue.“
    Ich hörte es: das Aufschnappen eines Kofferschlosses. Piet Gumboldt hatte dafür gesorgt, daß wir es hören mußten. Das war noch einmal sein großer Auftritt, ein Augenblick des Triumphes. Er hatte Oberwasser und weidete sich aus der Sicherheit eines startklaren Schiffes heraus an unserer Ohnmacht.
    „Ich habe ihn aufgemacht, Brandis, einen Koffer voller Diamanten, Steine so groß wie Taubeneier, weiße und blaue, und meine Hände wühlen darin…“
    Ich konnte es hören, ich konnte es sehen. Im Helmlautsprecher erklang sein Lachen. Piet Gumboldt genoß seinen Triumph bis zuletzt. Weder er noch wir hatten auf die fliehende Schattenlinie geachtet, die die kurze ikarische Nacht vom gleißenden Tag trennte:
    Über die Krümmung des Horizonts wuchs plötzlich die Sonne empor - immer noch viel zu nah, immer noch viel zu groß, immer noch viel zu grell, und auf einmal war es, als ginge die gleiche Sonne noch einmal auf: diesmal im Cockpit der SM 1 .
    Als Piet Gumboldt aufschrie, überlief es mich kalt.
    Ich konnte sehen, wie er die Hände vor das

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