Weltraumpartisanen 26: Ikarus, Ikarus...
sagen Sie’s? Wir sind doch nur die Himmelskulis, die die schmutzige Arbeit verrichten. Beispiel: der Ikarus-Job! Wenn er schiefgeht, zieht man mir das Fell über die Ohren. Wenn alles glatt verlauft, drückt man mir ein Trinkgeld in die Hand. Minenbesitzer müßte man sein - was, Brandis?!“
Der Rauch der Zigarre, die zwischen seinen Zähnen steckte, stach mir in die Augen. Seine hellen Augen blitzten, als machte er sich über seinen Zornesausbruch selber lustig. In all den Jahrzehnten, die seit unserem gemeinsamen Studium an der Astronautenfachschule der VEGA vergangen war, schien Piet Gumboldt kaum gealtert zu sein. Nach wie vor war er der große Junge mit dem verwegenen Lachen. Wir hatten uns aus den Augen verloren, als er wegen einer Betrügerei beim Kartenspiel von der Schule flog. Auf diesen Umstand spielte ich an.
„Warum sind Sie’s nicht geworden, Piet? Lag es am mangelnden Talent?“
Das Grinsen rings um die Zigarre wurde breiter.
„Sie werden es nicht glauben, Brandis. Ich fand die passende Mine nicht.“
„So ist nun mal das Leben.“
Gumboldt zuckte mit den Achseln.
„Man darf die Flinte nie zu früh ins Korn werfen, Brandis. Geduld ist eine Tugend, die immer wieder unterschätzt wird. Auf das große Glück muß der Mensch warten können, bis es von selbst vor der Tür steht.“
Ich hatte nie viel für Piet Gumboldt übrig gehabt, aber es gelang ihm tatsächlich, mich zu erheitern.
„Ziemlich ungewöhnlich, daß man als Astronaut anfängt, den Philosophen Konkurrenz zu machen.“
„Warum kann man nicht das eine sein und das andere, Brandis? Sie sehen in mir einen Realphilosophen.“
„Eine neue Richtung?“
„Die Richtung der Menschen, die sich nicht damit bescheiden, vom Erreichbaren nur zu träumen!“
Piet Gumboldt wollte mich zu einem Drink einladen, aber ich lehnte höflich und bestimmt ab.
Es gab für mich keinen plausiblen Grund, Piet Gumboldt nicht zu mögen. Fast alle meiner Kollegen kamen bestens mit ihm aus, und selbst Ruth O’Hara, die einmal in ihrer Eigenschaft als Publie-Relations-Chefin der VEGA mit ihm zu tun gehabt hatte, war von seinem jungenhaften Charme beeindruckt gewesen.
Weil ich verspätet heimkehrte, verpaßte ich um wenige Minuten Jan Minkowski, der kurz zu uns hereingeschaut hatte, um sich, weil sich sein eigenes Geflügel in der Werkstatt befand, für die Hochzeitsreise meine Libelle auszuleihen. Ruth hatte sie ihm zugesagt.
Sie war die ideale Pilotenfrau: selbständig und entschlußfreudig -und zur rechten Zeit fraulich und zärtlich. Falls Jan Minkowski in seiner Tamara, die wir bislang nur flüchtig kannten, eine nur annähernd vergleichbare Lebenspartnerin fand, durfte er sich glücklich preisen.
Ruth lebte mit mir und meinem Beruf - um einen Preis an Selbstüberwindung, den ich wohl nie erfahren werde. Ohne ein Wort des Vorwurfs ließ sie mich jedesmal wieder gehen. Weil sie begriff, daß Liebe nicht zur Fessel geraten darf? Vor allem wohl, weil sie einsah, daß mein Beruf für mich Aufgabe, Herausforderung und Verpflichtung war. Im Dienst der UGzRR vielleicht noch mehr als früher bei der VEGA. Um so mehr kosteten wir die Wochen, Tage und Stunden dieses Urlaubs aus.
Den Abend verbrachten wir zu Hause. Ich hatte alle Verabredungen abgesagt. Um ein Haar hätte ich sogar versäumt, die Abendnachrichten anzustellen; Ruth mußte mich daran erinnern.
An diesem Abend wurde die Verlagerung des Ikarus erstmalig offiziell bekanntgegeben. Ein flimmernder Archivstreifen zeigte den diamantenträchtigen Planetoiden vor dem Hintergrund einer abgedunkelten Sonne. Der elfhundert Meter im Durchmesser starke, karstige Ikarus wirkte auf dieser Aufnahme wie eine schrottreife Walze.
Die Verlagerung von einer Umlaufbahn in die andere - in diesem Fall aus einer solaren in eine terrestrische - sollte nach der bewährten Roederschen Methode erfolgen.
Ein Sprecher der Black Diamond Inc. begründete die Verlagerung mit dem Fortfall von Wartezeiten und unrentablen Anflugwegen, und etwa in das gleiche Horn stieß auch Piet Gumboldt, als er sich den Kameras der Stella-TV stellte.
Ein optischer Trick verdeutlichte die für den Ikarus bestimmte neue Umlaufbahn in etwa anderthalbfacher Mondentfernung.
Am folgenden Vormittag, elf Uhr, wurden Jan Minkowski und Tamara Holtved getraut. Ruth und ich wünschten dem jungen Paar alles Glück der Welt für die Zukunft.
Minkowski quetschte meine Hand.
„Sehen wir uns noch, wenn wir zurückkommen, Mark, so in vierzehn
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