Wenn der Keks redet, haben die Krümel Pause
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Vorwort – Wir können mehr als nur Facebook!
Ich bin zwanzig Jahre alt, komme aus Aachen und habe gerade mein Abitur bestanden. Ja, es gibt uns noch. Uns junge Menschen mit einem Schulabschluss in der Tasche, großen Erwartungen an die Zukunft und Zuversicht in Hinblick auf eine bessere Welt.
Und doch hat unsere Generation ein schlechtes Image. Angeblich sind wir eine Generation, die nur vor Fernseher und Internet hängt, nichts auf die Reihe bekommt, Benehmen für das Gegenteil von Abnehmen hält und allenfalls durch Gewalttaten in den Medien auf sich aufmerksam macht.
Alle reden über desorientierte Jugendliche, deren Intelligenzquotient der Anzahl der Buchstaben ihrer Vornamen entspricht – da kann jetzt jeder mal zählen – und die mit der Schule schon abgeschlossen haben, als sie in der Grundschule das «A» lernen sollten. Und vielleicht stimmt das ja auch: Während anderswo in der Welt junge Leute ihre sozialen Netzwerke nutzen, um brutale, autoritäre Diktatoren abzuschütteln, teilen meine Facebook-Freunde mir mit, dass sie sich gerade einen Teller Nudeln gemacht haben. Respekt! Und achtundzwanzig Leuten gefällt das!
Aber können wir wirklich nicht mehr? Und wenn ja, woran liegt das? Sind wir vielleicht gar nicht allein an der ganzen Misere schuld? Und wer beurteilt das eigentlich? Warum sind es immer Erwachsene – Lehrer, Professoren und Bildungsforscher –, die wissen, wie die Jugend in der Schule so tickt? Warum fragt man nicht mal die Schüler? Um die geht es doch. Stattdessen wird immer nur auf die Ergebnisse, auf bloße Zahlen, geschaut. Wenn ich etwas über das Sozialverhalten von Schweinen wissen will, dann geh ich doch auch nicht in die Metzgerei, sondern auf den Bauernhof. Also: Wer wissen will, wie Bildung heute wirklich ist, gehe in die Schule und frage die Schüler. Der gehe zu dem Ort, an dem wir Schüler jahrelang für unseren Abschluss schuften und vor allem lernen, uns gegen alle möglichen Widrigkeiten durchzusetzen. Dazu zählen Lehrer und Schulreformen genauso wie schlechtes Mensaessen und Schulbücher, in denen die Berliner Mauer noch steht.
Jetzt, wo ich mein Abi in der Tasche habe und endlich frei reden kann, ohne mich am nächsten Tag beim Schuldirektor rechtfertigen oder eine schlechtere Notengebung befürchten zu müssen, kann ich’s ja sagen. Wie erleben wir Schüler den Unterricht? Wie geht es in den Klassenzimmern deutscher Schulen wirklich zu? Und wieso bekommen wir immer Ärger, wenn wir unsere Hausaufgaben nicht haben, und der Lehrer kann, wenn er sich nicht vorbereitet hat, sagen, er wolle heute «die Stunde etwas offener gestalten»?
Verhielten wir Schüler uns so, würden, würde man uns sofort dumm, faul und desinteressiert nennen. Von gesellschaftsmüde und politikverdrossen mal ganz abgesehen. Aber das stimmt nicht. Meine Freunde und ich, wir haben sogar mal versucht, einen Kreisverkehr in der Innenstadt zu besetzen, um uns solidarisch mit den arabischen Revolutionen zu zeigen. Mehr politisches Engagement geht doch fast nicht. Mit unserer Aktion zwangen wir allerdings keinen Autokraten zum Rücktritt, sondern einen betrunkenen Fernfahrer zu einer Vollbremsung. Immerhin haben wir so vielleicht verhindert, dass er aufgrund seines zu hohen Alkoholpegels einen Unfall verursacht und das deutsche Gesundheitssystem belastet hätte. Das muss man erst mal schaffen!
Wer wir sind? Wir, das ist eine Gruppe von vier Jungen, die alle gerade die Schule und ihre Widrigkeiten überstanden haben und – jeder auf seine Weise – vor wichtigen Schritten in ihrem Leben stehen. Wir kennen uns, seit wir kleine Kinder waren, aus der Nachbarschaft und leben in Welten, die laut einem Herrn Sarrazin unvereinbar sind: Da wäre zum einen Orhan, dessen Eltern bereits vor seiner Geburt aus der Türkei nach Deutschland kamen, der kaum ein Wort Türkisch beherrscht und trotzdem darauf besteht, ein Türke zu sein. Orhan ist eigentlich ein schlauer Typ, verbirgt dies aber zuweilen, um sein Image als cooler Checker nicht zu gefährden. Er meint, das käme bei den Mädchen besser an, und seine zahlreichen, wenn auch recht kurzen Affären scheinen ihm recht zu geben. Er kommentiert das schnelle Ende seiner Beziehungen auf philosophische Art mit: «Irgendwann finde ich die eine, die ich für immer liebe.» Und weil ihm dann auffällt, dass das nicht cool genug klingt, fügt er schnell ein «Klar, Mann, Alter» hinzu. Deswegen mag ich ihn. Er ist die Lockerheit
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