Wenn die Mandelblueten bluehen
zugeschnürt.
"Geh jetzt schlafen, Daisy!"
Das klang sanft, und am liebsten hätte Daisy geweint. Nein, das durfte sie nicht tun! Es wäre zu beschämend gewesen.
Slade ging zur Tür, und sie blieb reglos stehen und blickte ihm nach.
"Gute Nacht", sagte er höflich.
Sie nickte nur, denn sie brachte noch immer kein Wort über die Lippen. Und dann war er verschwunden.
Noch einige Minuten lang stand Daisy da, bevor sie mit weichen Knien ins Schlafzimmer ging.
Mit bebenden Händen zog sie sich aus und stellte sich anschließend unter die Dusche, doch das heiße Wasser konnte die innere Kälte nicht vertreiben.
Als sie sic h danach im Spiegel betrachtete, war sie entsetzt.
Ihr Gesicht war blass, ihre Augen wirkten übergroß und dunkel, und der Ausdruck darin war gequält. Genauso hatte sie ausgesehen, als Jenny gestorben war!
Schließlich ließ Daisy den lange unterdrückten Tränen freien Lauf. Sie legte sich ins Bett und weinte sich in den Schlaf.
10. KAPITEL
Am nächsten Tag wachte Daisy auf, als die Sonne ihr hell ins Gesicht schien, und während sie zögernd die Augen öffnete, stürmten die Erinnerungen an die vergangene Nacht auf sie ein.
"O nein, das darf doch alles nicht wahr sein!" Stöhnend barg Daisy das Gesicht im Kissen. Sie hatte sich zum Narren gemacht, und wie sollte sie Slade jemals wieder unter die Augen treten?
Rasch setzte sie sich auf und zog die Knie hoch. Sie hatte sich ihm förmlich an den Hals geworfen, und er hatte sie unmissverständlich abgewiesen. Stöhnend wiegte sie sich vor und zurück, wie ein Kind, das von unerträglichem Kummer gequält wurde. Plötzlich fiel ihr Blick auf die Uhr. Es war schon elf! Entsetzt schüttelte sie den Kopf. Sonst stand sie immer um sieben auf und frühstückte um acht mit Francesco.
Und ihre Mutter und Schwestern waren zu Besuch! Das hatte sie ganz vergessen, ebenso wie sie vergessen hatte, den Wecker zu stellen. Warum hatte niemand sie geweckt? Und wo waren die anderen überhaupt? Im Haus war es ungewöhnlich still.
Daisy sprang aus dem Bett und eilte ins Bad. Plötzlich fiel ihr noch etwas ein. Slade war schon unterwegs nach Genf. Bei dem Gedanken war sie bekümmert und erleichtert zugleich. Was hielt er jetzt von ihr, nachdem sie sich in der vergangenen Nacht so unglaublich dumm benommen hatte?
Daisy duschte und zog sich in Rekordgeschwindigkeit an.
Auf Make-up verzichtete sie, das Haar band sie zu einem wippenden Pferdeschwanz zusammen, dann betrachtete sie sich flüchtig im Spiegel und schnitt ein Gesicht. Sie sah wie eine unbedarfte Sechzehnjährige aus!
Dass sie bezaubernd schön und zerbrechlich wirkte, war ihr nicht bewusst.
Slade hingegen bemerkte es sofort, als Daisy die Treppe herunterkam, und sagte sanft: "Na endlich! Ich dachte schon, du willst in deinem Zimmer überwintern."
"Slade!" Daisy wirbelte herum und errötete heftig. "Ich dachte, du wärst nach Genf gefahren. Hast du nicht gesagt, du müsstest früh los?"
"Ich habe es mir anders überlegt." Lächelnd zuckte er die Schultern. "Als Boss darf ich das."
"Wo sind meine Mutter und meine Schwestern?"
"Sie machen mit Mario und Isabella eine Besichtigungstour durch Meran und Umgebung und haben Francesco
mitgenommen. Isabella hat so viel Proviant mitgenommen, dass sie damit eine ganze Armee verköstigen könnte. Deshalb nehme ich an, sie kommen erst gegen Abend zurück."
"Gegen Abend?" Verwirrt sah sie ihn an. "Aber es ist ihr erster Tag hier, und ich habe sie seit einer Ewigkeit nicht gesehen und ... Ach so! Du hast sie weggeschickt!" Das klang vorwurfsvoll. "Und du hast mich nicht wecken lassen."
"Ich habe ihnen nur einen schönen Ausflug vorgeschlagen, auf dem sie zudem Francesco besser kennen lernen können, und alle waren begeistert."
"Ach ja?" Sie war wütend und beunruhigt über die Entwicklung der Dinge und fragte sich, warum Slade noch hier war. "Ich wäre gern mitgefahren."
"Möchtest du wissen, warum ich ihnen den Vorschlag gemacht habe?" Er ließ Daisy nicht aus den Augen. Sie fuhr sich über die Stirn, wie sie es oft tat, wenn sie durcheinander war, und Zärtlichkeit durchflutete ihn.
"Nicht unbedingt, aber du wirst es mir bestimmt trotzdem sagen", erwiderte Daisy schroff.
Nun war er frustriert, ließ es sich jedoch nicht anmerken.
"Das werde ich, aber zuerst musst du frühstücken. Gestern ist mir aufgefallen, wie wenig du isst, und das kann so nicht weitergehen."
Sie konnte nicht fassen, dass Slade so mit ihr sprach - aber sie konnte ja auch nicht
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