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Wenn die Nacht dich kuesst...

Wenn die Nacht dich kuesst...

Titel: Wenn die Nacht dich kuesst... Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Teresa Medeiros
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der Viscount eingeladen?«
    Caroline studierte die kühne Männerschrift mehrere Sekunden lang, dann hob sie den Kopf und schaute ihre Schwester an, obwohl sie eigentlich das triumphierende Glitzern in ihren Augen gar nicht sehen wollte, das sie unweigerlich dort entdecken würde.
    »Zu einem Mitternachtsdinner.«

2
    »Was, wenn es gar keine Einladung ist, sondern eine Falle?«, flüsterte Portia Caroline ins Ohr, während die altersschwache Kutsche ihrer Tante Marietta über Londons verlassene Straßen holperte.
    »Dann, nehme ich an, werden wir uns an eine Kerkerwand gefesselt wiederfinden, den dunkelsten Gelüsten des Schurken ausgeliefert«, flüsterte Caroline zurück. Von der merkwürdigen Hitze überrascht, die ihre eigenen Worte in ihr auslösten, klappte sie ihren Fächer auf und fächelte sich kühle Luft auf ihre geröteten Wangen.
    Portia schaute weiter schmollend zum Kutschenfenster hinaus. Ihre jüngste Schwester war der einzige Mensch, den Caroline kannte, der ohne eine Miene zu verziehen wütend aus dem Raum stürmen konnte. Caroline wusste, dass Portia immer noch eingeschnappt war, weil sie ihr das Versprechen abgenommen hatte, die Gerüchte, die den geheimnisvollen Viscount Trevelyan umgaben, mit keinem Wort zu erwähnen. Wenn Vivienne nichts von ihnen wusste, sah Caroline keinen Grund zuzulassen, dass solcher Unfug einen Schatten auf das Glück ihrer Schwester warf oder gar ihre Hoffnungen für die Zukunft gefährdete.
    Tante Marietta warf Caroline und Portia einen missbilligenden Blick zu. »Ist es nicht der Gipfel der Höflichkeit von Lord Trevelyan, deine Schwestern in seine Einladung einzuschließen, Vivienne?« Sie zog ein Taschentuch aus ihrem Ausschnitt und betupfte sich die vollen Wangen, die unter der dicken Schicht Reispuder zu glänzen begannen. Mit ihren üppigen Löckchen und ihren gepuderten Fleischbergen hatte Tante Marietta Caroline immer ziemlich unschön an ein nicht gares Gebäckstück erinnert. »Es ist ein weiteres leuchtendes Beispiel für die Großzügigkeit des Gentlemans. Wenn du ihn weiter fesseln kannst, Liebes, dann mache ich mir Hoffnungen, dass wir vielleicht sogar eine Einladung zu dem Maskenball ergattern können, der auf seinem Landsitz stattfindet.«
    Tante Marietta musste nicht eigens darauf hinweisen, dass das wir Caroline und Portia nicht einschloss. Die flatterhafte Schwester ihrer Mutter hielt seit jeher Portia für anstrengend und Caroline für zu langweilig und zu belesen, um angenehme Gesellschaft abzugeben. Nie hatte sie mit einem Wort angeboten, die Schwestern nach dem Tod ihrer Eltern bei sich aufzunehmen, und ohne die Einladung des Viscounts wäre sie nie auf die Idee gekommen, ihr Haus in Shrewsbury, das ihr verstorbener Mann ihr hinterlassen hatte, mit ihnen zu teilen, noch nicht einmal eine erbärmliche Woche lang.
    Ihre Tante fuhr unbeeindruckt fort, die offenbar endlose Liste der Tugenden des Viscounts aufzuzählen. Caroline hatte den Mann inzwischen herzlich satt, und dabei hatte sie ihn noch nicht einmal kennen gelernt.
    Sie schaute zu Vivienne, die ihr in der Kutsche gegenübersaß. Ein heiteres Lächeln spielte um die Lippen ihrer Schwester, während sie pflichtschuldigst Tante Mariettas mit schriller Stimme vorgetragenen Ausführungen lauschte. Es wäre mehr als ein schlichter Schatten nötig, um Viviennes Strahlen zu dämpfen, dachte Caroline reuig, und ihre Miene wurde weicher, während sie ihre Schwester betrachtete.
    Mit dem hoch frisierten goldblonden Haar und der hellen sahnigen Haut, die die gute Gesellschaft so lobte, strahlte Vivienne praktisch von innen heraus. Schon als Kind war es beinahe unmöglich gewesen, sie aus der Fassung zu bringen. Im Alter von gerade einmal fünf Jahren war Vivienne eines Tages zu ihrer Mutter gekommen, die gerade im Garten von Edgeleaf Rosen schnitt, und hatte an ihrem Rock gezupft.
    »Nicht jetzt, Vivi«, hatte ihre Mutter tadelnd gesagt, ohne ihre Arbeit zu unterbrechen. »Kannst du nicht sehen, dass ich beschäftigt bin?«
    »Gut, Mama. Dann komme ich später noch mal.«
    Von dem seltsam flachen Ton in der Stimme ihrer Tochter alarmiert, hatte ihre Mutter sich umgedreht und entsetzt gesehen, wie Vivienne forthinkte, den Pfeil eines Wilderers noch in ihrem Bein. Von den Armen ihres Vaters schützend gehalten, hatte das kleine Mädchen blass, aber schweigend stillgehalten, während der Dorfarzt den Pfeil herausholte. Portias hysterisches Schreien dagegen drohte alle Anwesenden taub zu machen.
    Da ihr

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