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Wenn Du Luegst

Titel: Wenn Du Luegst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Salter
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dass es für mich schlug oder für irgendjemand sonst, mit dem ich ihn je zusammen gesehen hatte. Er war einfach einer dieser
Männer, mit denen man zwanzig Jahre lang schlafen kann, ohne je das Gefühl zu haben, ihn zu berühren.
    Abgesehen davon musste ich mich um Daryl Collins kümmern. Und auch wenn Robert davon gesprochen hatte, Generalsstaatsanwälte anrufen und Hinweisen nachgehen zu wollen, wurde ich das Gefühl nicht los, dass Collins bereits aus der Tür war und wir nur noch mit den Fingerspitzen seinen Mantel streiften, während er uns entwischte.

kapitel 11
    Lily und ich warteten. Warteten, dass Jena kam. Warteten auf den Anruf, dass sie tot sei. Warteten auf die Unterlagen, die ich brauchte, um Lily in der Schule anzumelden - ihre Geburtsurkunde, Zeugnisse, Jenas Vollmacht. Lilys Leben befand sich im Pausemodus, und sie wartete darauf, dass es in die eine oder die andere Richtung weitergehen würde. Was mich betraf, sah ich in meinen Träumen Jenas Hinterkopf hoch oben in den Bergen. Ich rief nach ihr, aber sie drehte sich nicht einmal um. Wann immer ich an sie dachte, schien eine Welle der Hilflosigkeit über mich hinwegzuspülen, und meine Handflächen schmerzten.
    Trotzdem setzte mir das Warten weniger zu als Lily. Sie benahm sich, als säße sie in der Falle, nicht nur des Wartens wegen, sondern auch wegen der Insel und vielleicht auch der Unausweichlichkeit des langsamen Untergangs ihrer Mutter. In der Falle, weil es nicht genügend Jugendliche, keine Einkaufszentren, kein Kino, kein Fernsehen und vielleicht auch keine echte Hoffnung gab, dass sie jemals nach Hause zurückkehren würde. Sie hatte einen Knastkoller und trieb mich an den Rand des Wahnsinns, aber ich begriff schnell, dass es keine Lösung war, sie sich selbst zu überlassen. Ich hatte
eine Menge Arbeit zu erledigen, kam jedoch nicht dazu, was Lily überhaupt nicht zu interessieren schien.
    Ich fuhr mit ihr ans andere Ende der Insel, und wir legten per Fähre die kurze Entfernung zum gegenüberliegenden Teil der Outer Banks zurück. Mit Klamotten, Kosmetika, einem CD-Player samt Kopfhörern und genügend CDs für Lily zum Überwintern beladen, standen wir in der Schlange vor der Kasse. Ich sah das gierige Funkeln in ihren Augen, während sie die Dinge berührte, die wir kaufen würden. Sie wollte die CDs öffnen, noch bevor wir sie bezahlt hatten. Sie fummelte unentwegt an den Kleidungsstücken herum. Jede Faser ihres Körpers schien vor Angst zu vibrieren, dass irgendjemand ihr all dies wieder wegnehmen könnte, bevor wir es zur Kasse geschafft hätten. In diesem Moment wollte ich zum allerersten Mal die Arme um sie legen, um sie zu trösten. Es war wirklich traurig. Sie hatte eine Mutter, deren Vorstellung vom Paradies der entlegendste Punkt dieser Erde war, während sie selbst ihr Seelenheil in Konsumgütern suchte. Ohne Frage waren sie für Lily eine zuverlässigere Trostquelle, als es die Menschen je gewesen waren.
    Einkaufen schien das Einzige zu sein, das Lily aufheiterte. Sie befand den Strand für langweilig und weigerte sich hinzugehen. Kajakfahren mochte sie nicht - anstrengend und wozu überhaupt. Sie wollte weder angeln noch segeln oder schwimmen. Sie hatte kein Interesse an Spaziergängen, und mit der Zeit begann ihre Gegenwart das Einzige zu zerfressen, was ich unbedingt brauchte - meine Einsamkeit. Ich erwachte noch immer vom Zwitschern der Vögel jenseits des kleinen
Balkons, saß noch immer frühmorgens im Schaukelstuhl und schmeckte das Salz des Meeres, dessen entferntes Rauschen die Basslinie meines Lebens war. Doch sobald Lily wach wurde, schienen die Farben der Bäume und des Himmels zu verblassen. Ich blieb inzwischen nicht mehr stehen, um den Sand im Garten durch meine Finger rinnen zu lassen.
    Lily bemerkte das nicht. Tatsächlich schien sie kaum zu bemerken, dass noch jemand mit ihr im Haus war. Sie stampfte herum und sang grässliche Lieder, und das auch noch falsch. Sie jammerte und verlangte zu wissen, was wir an diesem oder jenem Tag machen würden. Sie drehte das Radio viel zu laut auf. Sie beförderte meine Telefonrechnungen durch die Gespräche mit ihren Freunden in die Stratosphäre und beschwerte sich dann darüber, keinen eigenen Anschluss zu haben. Sie hasste jeden Moment der Stille. Sie wirkte wie jemand auf Entzug - was sie vermutlich auch war. Daheim in Chicago hätte sie jetzt eine Reizüberflutung durch Fernsehshows, Werbung und Musik gehabt. Hier gab es nur das Zirpen einer Grille vor dem

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