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Wenn Du Luegst

Titel: Wenn Du Luegst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Salter
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hat. Betsy sagt, er hatte den Tod verdient.«
    Ich sah Betsy finster an. »Das hatte er auch«, erwiderte sie.
    »Im Normalfall bin ich kein großer Freund davon, Leute zu erschießen«, sagte ich, »aber ehrlich gesagt glaube ich, dass die Menschheit ohne ihn besser dran ist.«
    »Ich hätte selbst draufkommen sollen, es zu tun«, sagte Lily. »Ich wusste, wo die Waffe war.«
    »Bist du dir sicher, dass du keine Südstaatlerin bist?« Und ich fragte mich das wirklich. Vielleicht hatte das gar nichts mit Geografie zu tun. Vielleicht hing es in Wirklichkeit mit dieser Kombination aus leidenschaftlicher Loyalität und Halsstarrigkeit zusammen, die von allen bewundert wurde, wenn man recht hatte, und eine Katastrophe darstellte, wenn man falsch lag. Und in Lilys Fall hatte ich nicht das Zeug dazu, ihr zu sagen, dass sie falsch lag. Nicht nur, weil sie Jena geholfen hatte, sondern auch, weil zu lügen, um ihre Mutter zu schützen, etwas bei Lily bewirkt hatte, etwas, wodurch das Gefühl von Hilflosigkeit und Schuld gelindert wurde, das sie empfunden hatte, als sie mit ansehen musste, wie ihre Mutter halb zu Tode geprügelt wurde.
    »Was wird mit ihr passieren«, fragte Lily, »wenn sie aus der Klinik kommt?«
    »Ich hoffe, dass sie einige Zeit bei mir leben wird. Ich
fürchte, es wird eine Weile dauern, bis sie wieder ganz auf dem Damm ist.«
    »Es wird ihr hier gefallen. Das weiß ich.« Nach einer Weile fügte sie hinzu: »Sie sollte wieder bergsteigen gehen, oder?«
    »Wahrscheinlich.«
    »Ich glaube schon. Meine Mutter war glücklich in den Bergen. Ich hab ihr ein Bergsteigermagazin gekauft und ein Abonnement für sie abgeschlossen. Sie bieten da Touren an. Ich hab mir überlegt, dass sie irgendwo mit einer Trekkingtour anfangen könnte.« Vielleicht, dachte ich, funktioniert Muttersein manchmal auch in die andere Richtung.
    Wir gingen weiter, und niemand schien das Bedürfnis zu haben, sich zu unterhalten. Lily stromerte davon, um nach weiteren Muscheln zu suchen.
    »Was ist mit dir?«, fragte ich Betsy.
    »Mit mir?« Sie lächelte. »Ich werde beschäftigt sein. Ich werde wieder einen Teenager im Haus haben.«
    Sie sah zu mir. »Ich weiß schon«, fügte sie hinzu. »Du denkst, dass ich früher oder später etwas anderes in meinem Leben brauchen werde. Dass ich arbeiten gehen sollte oder so was. Aber ich verrat dir was, Mädchen. Ich bin eine Mutter. Mir ist klar, dass es jede Menge Frauen gibt, die Mütter sind und Pilotinnen und was nicht alles, aber ich bin schlicht und ergreifend Mutter. Als Ehefrau bin ich okay, aber als Mutter bin ich großartig. Also schmink dir ab, dass ich vorwärtskommen, mir einen Job suchen sollte oder was auch immer. Ich will das nicht. Wenn Lily weggeht, denke ich, werde ich Pflegekinder bei mir aufnehmen.«

    »Ach, Betsy. Das wäre fantastisch für die Kinder, aber ich muss dich warnen: Du wirst viel Schmerzhaftes erleben, wenn du dich als Pflegemutter engagierst. Diese Familien bekommen die Kinder zurück, und manchmal werden die Kinder schreiend und tretend aus ihrem neuen Zuhause gezerrt.«
    »Wie hat Joplin gesagt?«, fragte Betsy. »›Freiheit ist nur ein anderes Wort dafür, nichts mehr zu verlieren zu haben.‹ Nun ja, vielleicht muss man sich auf Schmerz einstellen, wenn man etwas zu verlieren hat, aber nichts zu haben ist nicht besser. Ich nehme lieber das Etwas. Vielleicht werden sich ein paar von den Kindern mal nach der Schule zurückstehlen, nur auf ein paar Doughnuts und eine Cola. Vielleicht bleiben sie in Verbindung, wenn sie mit der Schule fertig sind. Versteh mich nicht falsch. Ich will das nicht tun, um die Welt zu retten. Ich will das tun, weil es das ist, was ich am besten kann. Aber ich bezweifle, dass es vergebens wäre.«
    »Ich habe kein Problem damit, Betsy. Klingt nach einem guten Plan.«
    Betsy blieb stehen und setzte sich. Sie meinte, sie wäre nun weit genug gelaufen. Ich wanderte weiter am Strand entlang und beobachtete, wie Lily hin und her flitzte, im Zickzackkurs von Muschel zu Muschel lief. Es war jedoch nicht Lily, an die ich dachte; es war Sissy. Sie hatte aus dem Grab heraus mit dem Finger auf Daryl Collins gezeigt - eine beachtliche Leistung. Es war wirklich ironisch. Die einzige Zeugin, die tatsächlich nicht eingeschüchtert werden konnte, war die, die bereits tot war. Nichts mehr zu verlieren. Was wäre aus diesem Kind wohl geworden, wenn es hätte erwachsen werden dürfen?
Ich hatte immer gedacht, dass es etwas Besonderes an mir gewesen

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