Wenn du stirbst, zieht dein ganzes Leben an dir vorbei, sagen sie
kamen, nur dass Elody sich beklagte, dass ich immer vorne sitzen durfte. Sie weigerte sich, sich anzuschnallen, und beugte sich vor, um durch Lindsays iPod zu scrollen, obwohl eigentlich ich das DJ-Recht hatte. Ich versuchte meine Theorie der »strahlendsten Sternstunden« im Angesicht des Todes zu erklären und wir überlegten, welche das sein würden. Lindsay wählte natürlich den Augenblick, als sie erfahren hatte, dass sie an der Duke University zugelassen worden war, und Ally â die wie üblich über die Kälte meckerte und damit drohte, jeden Moment an einer Lungenentzündung zu sterben â machte lange genug mit, um zu sagen, sie würde am liebsten ihren ersten Kuss mit Matt Wilde für immer durchleben, was keine von uns überraschte. Lindsay und Elody rauchten und eiskalter Regen kam durch die Fenster herein, die einen Spaltbreitoffen standen. Die StraÃe war schmal und kurvig und zu beiden Seiten peitschten die dunklen, kahlen Zweige der Bäume hin und her, als hätte der Wind sie zum Tanzen gebracht.
Elody lieà »With or without you« laufen, um Ally zu ärgern, vielleicht weil sie ihr Gejammer satthatte. Es war das gemeinsame Lied von Ally und Matt, der im September mit ihr Schluss gemacht hatte. Ally beschimpfte sie als Schlampe, schnallte sich ab und beugte sich vor, um nach dem iPod zu greifen. Lindsay beklagte sich, dass ihr jemand den Ellbogen in den Nacken stieÃ. Die Zigarette fiel ihr aus dem Mund und landete in ihrem SchoÃ. Sie fluchte und versuchte, die Glut vom Sitz zu wischen, und Elody und Ally rangelten immer noch miteinander und ich versuchte sie zu übertönen und sie daran zu erinnern, wie wir im Mai Schneeengel gemacht hatten. Die Reifen schlitterten ein bisschen auf der nassen StraÃe und das Auto war voller Zigarettenrauch, kleine Rauchfahnen, die in die Luft aufstiegen wie Gespenster.
Dann blitzte plötzlich etwas WeiÃes vor dem Auto auf. Lindsay schrie etwas â Wörter, die ich nicht verstehen konnte, irgend so was wie Sitz oder Sicht oder Scheiàâ und plötzlich überschlug sich das Auto und schleuderte von der StraÃe herunter mitten hinein in das schwarze Maul des Waldes. Ich hörte ein schreckliches kreischendes Geräusch â Metall auf Metall, zersplitterndes Glas, ein Auto, das zusammengeknautscht wurde â und roch Feuer. Ich hatte noch Zeit, mich zu fragen, ob Lindsay wohl ihre Zigarette ausgemacht hatte.
Dann stieg Vicky Hallinans Gesicht aus der Vergangenheit auf. Ich hörte überall um mich herum Gelächter aufbranden und widerhallen, das schlieÃlich zu einem Schrei anschwoll.
Dann nichts mehr.
Das Problem ist, ihr wisst es vorher nicht. Ihr wacht nicht mit einem unguten Gefühl auf. Ihr seht keine Schatten, wo keine sein sollten. Ihrdenkt nicht daran, euren Eltern zu sagen, dass ihr sie lieb habt, oder â wie bei mir â auch nur daran, euch von ihnen zu verabschieden.
Wenn es euch geht wie mir, wacht ihr, sieben Minuten und siebenundvierzig Sekunden bevor eure beste Freundin euch abholt, auf. Ihr seid zu sehr damit beschäftigt, euch Gedanken darüber zu machen, wie viele Rosen ihr wohl zum Valentinstag bekommen werdet, um zu mehr in der Lage zu sein, als schnell in eure Klamotten zu steigen, euch die Zähne zu putzen und zu beten, dass das Make-up noch unten in eurer Kuriertasche liegt, damit ihr euch im Auto schminken könnt.
Wenn es euch geht wie mir, beginnt euer letzter Tag so:
EINS
»Tut, tuut«, ruft Lindsay. Vor ein paar Wochen hat meine Mutter sie angebrüllt, weil sie jeden Morgen um fünf vor sieben hupt, und seitdem macht Lindsay das so.
»Ich komme!«, rufe ich, obwohl sie schon sehen kann, wie ich die Haustür aufmache. Gleichzeitig versuche ich meinen Mantel anzuziehen und meinen Hefter in die Tasche zu stopfen.
Im letzten Moment zupft meine achtjährige Schwester Izzy mich am Ãrmel.
»Was ist denn?« Ich wirbele herum. Sie hat den siebten Sinn einer kleinen Schwester und spürt immer, wenn ich beschäftigt oder spät dran bin oder wenn ich gerade mit meinem Freund telefoniere. Genau dann beschlieÃt sie normalerweise, mich zu stören.
»Du hast deine Handschuhe vergessen«, sagt sie, allerdings klingt es wie: »Du hazht deine Handschuhe vergezhen .« Sie weigert sich, wegen ihres Lispelns zum Logopäden zu gehen, obwohl sich alle Kinder in ihrer Klasse
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