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wenn es Zeit ist

wenn es Zeit ist

Titel: wenn es Zeit ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Florian Tietgen
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beantworten, da ich keine Adresse angegeben hatte. Zu groß war die Angst gewesen, er könnte nach seiner Entlassung bei uns vor der Wohnungstür stehen.
    Michi hat sich entschieden, draußen zu warten. Sie setzt sich auf die Wiese an der Alster, sodass ich sie sehen kann, wenn ich zurückkomme.
    Ich melde mich beim Pförtnerhäuschen, gebe bekannt, wen ich besuchen möchte und werde von einem freundlichen Herrn gebeten zu warten.
    Das Zimmer , in dem ich gefragt werde, ob ich etwas mitgebracht hätte und auf meine Verneinung hin abgetastet werde, ist kahl.
    Ein Beamter bringt mich in einen Raum, in dem schon einige Menschen einander an Tischen gegenübersitzen und reden. Ich werde an einen freien Tisch geführt. Man bittet mich, Platz zu nehmen. Als ich mich umschaue, frage ich mich, ob es an dem Raum oder an den Menschen liegt, dass die Farben der Niesel hier so dumpf sind. Sie scheinen alle mit Schwarz oder grau vermischt. Normalerweise gibt es überall Menschen mit klaren Farben um sich. Hier fallen mir keine auf. Dumpf ist auch die Atmosphäre. Gedämpfte Stimmen raunen durch den Raum, schwingen in ihm, wie der Ton Hunderter Maultrommeln.
    Ein Beamter erscheint mit meinem Vater, führt ihn zu mir an den Tisch und bleibt in der Nähe stehen. Mein Vater setzt sich nicht. Weder sieht er mich an noch begrüßt er mich. Auch seine Farben sind dumpf. Vor allem sind sie über den Körper unregelmäßig verteilt, meistens von einem mit Oliv verdrecktem Orange oder Gelb, um die Brust herum aber dominiert das Oliv, wird jedoch von trübem Gelb verschmutzt.
    »Was willst du hier?«, fragt er endlich.
    Mit ihm reden, ihn etwas über seine Mutter fragen, wissen, was mit Jörg geschehen ist.
    »Dich besuchen«, stottere ich hilflos. Was hatte ich mir vorgestellt? Hatte ich etwa geglaubt, er würde sich freuen?
    »Willst du sehen, ob ich auch gut gefüttert werde? Es war euch doch auch egal, wie es mir geht, als ihr mich verlassen habt.«
    Ich hole tief Luft. ›Wenn du es ernst meinst, sieh mich an!‹ Langsam und mit klopfendem Herzen hebe ich meinen Kopf. Es hat etwas Demütigendes, zu sitzen, während er vor mir steht und mich keines Blickes würdigt, aber ich sehe ihn an. Er sieht müde aus. Tränensäcke liegen wie Schatten unter seinen Augen. Das Gesicht ist fahl, die Stoppeln seines Bartes haben erste Spuren von Grau.
    »Ich will etwas über Oma wissen.« Ein Ruck geht durch mich, streckt meine Wirbelsäule, dehnt mein Kreuz. Der Beamte tritt zu uns und fordert Papa auf, sich zu setzen. Ich warte, bis er mir gegenüber Platz genommen hat und direkt an mir vorbei schaut.
    »Diese Hexe! Die hat mich in den Wahnsinn getrieben mit ihrem Glauben, ihrer Kirche und den verfluchten Kräutern.«
    ›Die Kräuter‹ , schießt es mir durch den Kopf. ›Die hat sie in der Kiste gar nicht erwähnt.‹
    »Dieser ganze Mumpitz, den sie veranstaltet hat. Die Leute wurden doch nur geheilt, weil sie daran geglaubt haben.« Zum ersten Mal wagt er es, mich anzusehen. »War das alles, was du wissen willst? Dann kannst du jetzt gehen.«
    »Warum war es für dich so schlimm?«, frage ich schnell. »Du hattest doch gar nichts damit zu tun.«
    »Verdammt, das geht dich nichts an!« Für kurze Zeit verstummt da s dumpfe Gemurmel im Raum. Irritierte Blicke treffen uns. Seine Stimme hatte sich über alle erhoben. »Sie wusste alles«, zischt er leiser. »Für sie war ich böse. Als hätte ihr Gott mich dazu bestimmt. Als ich klein war, hat sie mich immer Judas genannt. Bei ihrer Voraussicht ist es erstaunlich, dass sie mich nicht schon so getauft hat.« Er schaut sich im Raum um. »Sieh dich um, wo ich gelandet bin. Sie hat ja recht behalten.«
    Meine Wirbelsäule sackt wieder ein Stück in sich zusammen. Es liegt Schmerz in seinen Worten. Auf Wut wäre ich vielleicht gefasst gewesen. Diese bittere Traurigkeit nimmt mir Mut und Sprache. Statt Judas kommt mir Isaak in den Kopf.
    »Wozu willst du das alles wissen? Hast du etwa auch diese bescheuerte Kraft?«
    »Ja.« Es ist der erste Schritt, den er mir entgegen kommt, das erste Interesse, das er an mir zeigt.
    »Ich wusste es« , flucht er leise.
    »Woher?« Wenn er es wusste, muss doch irgendwas von dieser Kraft auch in ihm stecken. Schließlich kann man sie nicht sehen.
    »Warum solltest du dich sonst für sie interessieren? Du kennst sie doch kaum. Warst ja noch viel zu klein, als sie starb.« Er schaut mich nicht an, während er das sagt. Meint er es ernst? Oder wusste er es schon viel

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