Wenn Licht die Nacht durchdringt: (Teil 2) (German Edition)
entfernt waren. Aber sie spürte deutlich einen Anfang und ein Ende. Ein Brennen zog sich über einige Partien, welches sie an heißes, loderndes Feuer denken ließ. Gleich darauf schoss ihr das Bild eines blitzenden und scharfen Messers durch den Sinn und ließ Geschmack und Geruch von Kupfer in ihren Mund aufgehen.
Allmählich konnte sie auch Geräusche wahrnehmen. Ein gedämpftes Surren und ein regelmäßig piepsendes Geräusch. Nach einigem Surren und Piepsen erkannte sie, dass das rhythmische Geräusch gleichzeitig mit ihrem Pulsschlag kam, ihren Herzschlag laut imitierte.
Langsam kroch ihr ein spitzer Duft in die Nase. Ähnlich wie ein steriles Putzmittel, begleitet von einigen weiteren Nuancen, die merkwürdig aber zeitgleich sehr vertraut rochen. Sie kannte diesen Geruch. Und wenn sie ihn kannte, dann musste sie irgendwo sein, wo sie schon einmal gewesen war. Das wiederum hieß, dass sie sich in Sicherheit befand. Aber … wovor? Warum dachte sie an Sicherheit? An Sicherheit dachte man nur dann, wenn es etwas gab, vor dem man sich fürchtete, etwas, das Gefahr bedeutete.
Fühlen, Hören, Riechen, Schmecken … nun fehlte nur noch das Sehen. Sie flackerte mit dem Lidern und versuchte sie nach oben zu schieben.
Mit einem Mal kam die Welt – oder sie – zurück und ließ das Dunkel vergehen. Ehe sie die Augen zugekniffen hatte, um das Licht langsam aufzunehmen, legte sich ein Schatten über ihr Gesicht. Sie sah nach oben und erkannte das Gesicht eines älteren Mannes, das über einem weißen Kittel hervorragte. Sie wollte sich bemerkbar machen, etwas sagen, sich bewegen, doch ehe sie etwas davon tun konnte, umfasste der Mann sanft ihre Schulter und hielt sie fest.
„Ganz ruhig, es ist alles in Ordnung. Sie sind in einem Krankenhaus. Sie waren verletzt, aber wir haben ihre Wunden versorgt. Möglicherweise sind sie noch leicht benommen, das hat auch mit den Medikamenten zu tun. Aber das geht vorbei. Machen Sie sich keine Sorgen.“ Er hielt kurz inne und lächelte sie warm an, während er mit einer kleinen Lampe in ihre Augen leuchtete und ihren Pupillenreflex testete. „Wissen Sie, wie Sie heißen? Sie trugen keine Papiere bei sich und der junge Mann, der Sie gefunden hat, konnte uns leider auch nicht sagen, wer Sie sind. Er glaubte, sie schon einmal gesehen zu haben, aber wie Sie heißen, wo Sie wohnen oder arbeiten, wusste er nicht.“
Während er „den jungen Mann“ erwähnt hatte, war sein Blick kurz über seine Schulter in die hintere Ecke des Zimmers geflogen. Gwen ließ ihre Augen ebenfalls dorthin wandern und fühlte sogleich wie sich eine eisige Starre in ihrem Körper ausbreitete. Dort auf dem Stuhl saß Nikolaj. Die Arme vor der Brust verschränkt erwiderte er ihren Blick mit ausdrucksloser Miene und ohne jede Regung.
Ihr Puls samt dem piepsenden Geräusch begann zu rasen, sodass der Arzt einen prüfenden Blick auf den Monitor warf. „Ist alles in Ordnung? Kennen Sie diesen Mann?“ Er warf abermals einen Blick Richtung Nikolaj, der den Blick des Arztes ebenso starr wie zuvor bei ihr erwiderte. „Vielleicht sehe ich aus wie jemand, den Sie kennt“, erwiderte er Achselzuckend und monoton.
Wie jemand, den sie kennt.
Was sollte das heißen? Was machte er hier? Hatte er sie hierhergebracht? Hatte sie es sich doch nicht nur eingebildet? Das blauschwarze Augenpaar über ihr?
Wie jemand, den sie kennt.
Was hatte das zu bedeuten?
„Können Sie sich daran erinnern, was passiert ist?“, fragte der Arzt nun wieder an sie gewandt. „Wissen Sie, wie Sie heißen? Dann könnten wir Ihre Familie anrufen, Freunde, Ihren Freund oder Ehemann.“
In ihrem Kopf lief alles drunter und drüber. Ob sie wusste, wie sie hieß? Ja. Ob sie wusste, warum sie hier war? Auch das wusste sie. Nicht in allen Einzelheiten, doch so präsent, dass es sie zu schütteln begann und ihren Herzschlag schneller trieb. Sie hatte nicht all das getan, was sie getan hatte, um nun am Ende doch noch ihre Mutter oder sonst jemanden der sie kannte in die Sache hineinzuziehen. Und „die Sache“ war noch nicht ausgestanden. Das wusste sie mit Gewissheit. Sie war sich so sicher, dass ihr übel wurde. „Nein, ich … kann mich an nichts erinnern. Ich weiß nicht, was passiert ist. Ich weiß nicht, wer … wie ich heiße.“
Der Arzt runzelte die Stirn. „Und diesen Mann kennen Sie wirklich nicht? Warum sind Sie so erschrocken, als Sie ihn gesehen haben? Kommt er Ihnen bekannt vor? Irgendwas an ihm?“ Seine Stimme klang nun ernst und
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