Wenn Licht die Nacht durchdringt: (Teil 2) (German Edition)
„Na los, geben wir deinem Körper etwas Stärke zurück, damit sich die Blessuren schnell vom Acker machen und heilen.“
ZWÖLF
„ Und? Was habt ihr rausbekommen?“
Marah und sie waren gerade zur Tür reingekommen, als Jonathan sie auch schon auszufragen begann. Sie waren so lange draußen geblieben, bis es so dunkel geworden war, dass sie kaum noch die Hand vor Augen hatten sehen können. Eine Kälte war vom Boden her aufgezogen, was sie umso deutlicher gespürt hatten, da sie auf ihm gesessen hatten.
„Nichts.“
„Was heißt
nichts
?“
„Nichts heißt nichts. Wir haben erst einige Übungen gemacht und dann eine gemeinsame Meditation. Wir konnten nichts herausfinden, weil wir nicht mit Hekate in Kontakt treten konnten.“
Jonathan sah verdrossen drein. „Warum nicht? Ihr wart zu zweit – sollte das nicht den Turbogang für jedwede
Kommunikation
einlegen?“
Sie mied Jonathans enttäuschten Blick – und ein paar Sekunden später auch Nikolajs, als ihr bewusst wurde, dass sie ihn direkt angesehen hatte. Er wirkte jedoch nicht irritiert oder enttäuscht, wie Jonathan, sondern seltsam erleichtert … und aufatmend.
„Für Gwen war es das erste Mal – und ich bin Kräftetechnisch ziemlich ausgelaugt, wenn ich ehrlich bin. Außerdem ist es nicht so einfach, wie zum Telefonhörer zu greifen. Es existiert keine „feste Leitung“ – wir müssen eine finden oder herstellen.“
„Das heißt, wir wissen immer noch nichts Genaueres.“ Es war Nikolaj, der diese Feststellung ausgesprochen hatte.
„Im Moment, nein“, erwiderte Marah. „Das lässt sich nun mal nicht einfach so aus dem Ärmel schütteln, wie man es gerne hätte. Es gehört Übung dazu. Erfahrung. Der richtige Fokus. Morgen werden wir es weiterversuchen. Wir kriegen“, sie hielt kurz inne“, das schon hin. Aber wir brauchen einfach etwas Zeit. Und jetzt wäre etwas zu essen nicht schlecht. Ich weiß nicht, wie es dir geht Gwen, aber ich bin total platt und obendrein am verhungern …“ Sie ließ sich auf das Sofa plumpsen, legte ihre Füße auf dem Tisch ab und gähnte breit.
Marah sah in der Tat ziemlich müde und ausgelaugt aus. Sie selbst war jedoch nicht minder gerädert. Normalerweise sollte das Erden für einen Energieschub sorgen, aber da sie noch keine Übung darin hatte und Marah schwer damit beschäftig war, ihr alles zu erklären, war die Wirkung eher gegensätzlich ausgefallen. Sie war erledigt, enttäuscht und deprimiert. Erledigt vor lauter Bemühen und Versuchen. Enttäuscht, weil sie es nicht hinbekommen hatte. Deprimiert, weil sie immer noch nicht wusste, worin genau ihre ominöse Aufgabe bestand. Sie hätte Marah gerne nach einen Schutzzauber gefragt, damit sie sich im Fall der Fälle selbst verteidigen konnte und niemand anderen in Gefahr bringen musste, doch dazu war gar keine Zeit gewesen. Außerdem hatte Marah ihr erklärt, dass nicht jede Hexe jeden Zauber sprechen konnte. Dafür gab es eben die Schwerpunkte und Spezialgebiete.
Schwerfällig ließ sie sich neben Marah aufs Sofa sinken. Auf die Seite, die näher bei Nikolaj lag, der ihnen gegenüber schräg im Sessel saß.
„Ich hab das Frühstück gemacht“, platzte Jonathan hervor.
Aus geschlossenen Augen heraus blinzelte Marah in seine Richtung. „Du hast Frühstück
gekauft
und es
verpackt
auf den Tisch gelegt. Das zählt nicht.“
„Soll heißen?“
„Das es furchtbar nett von dir wäre, wenn du nochmals etwas auf den Tisch legen könntest, das wir dann essen können – am besten von Tellern und mit Besteck.“
„Von mir aus …“, gab er gönnerhaft nach. „Ich schmeiße ein paar Nudeln ins Wasser und mache ein, zwei Gläser Soße auf.“
„Ich liebe dich, Jo …“, säuselte Marah grinsend vor sich hin und begann einzudösen.
Er brummte, hatte aber ein feines Lächeln auf den Lippen, als er Richtung Küche abzog.
Ihre Wange juckte, sodass sie die Hand hob und vorsichtig darüber rieb.
„Alles in Ordnung?“
Sie sah Nikolaj an. „Ja … es juckt nur. Ich glaube, es näselt. Vielleicht sollte ich das Pflaster abnehmen und ein wenig Luft ranlassen.“
„Ja, vielleicht.“
Sie entzog ihm ihren Blick.
„Es wird überhaupt nicht auffallen.“
„Was?“, fragte sie irritiert. „Was wird nicht auffallen?“
„Die Wunde. Das, was von ihr zurückbleibt. Es wird nicht ins Auge fallen. Du bist und bleibst wunderschön. Daran kann nichts etwas ändern.“
Was er sagte, war wie flüssiges Gold, das durch ihren Körper glitt und sie von innen
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