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Der große Stier

Der große Stier

Titel: Der große Stier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Sanborn
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1.TEIL: Sausalito, Kalifornien
     
    Er stolperte im Dunkeln über seine eigenen Schuhe, die neben dem Bett standen, und hob die Bettdecke so hoch, daß er neben sie hineinschlüpfen konnte. Er legte seine Anne um sie, bis seine Hände ihre Brüste bedeckten, und preßte dann beide sanft und rhythmisch, so daß er das warme gerundete Fleisch zwischen seinen Fingern spürte. »Du duftest wie Blätter«, flüsterte er, »wie dicke, frische Blätter voller Saft. Im Frühling. Weißt du, was Frühling ist? Es ist eine Jahreszeit, ein Hervorbrechen, ein rasches Aufspringen, ein Ursprung und ein sich Wälzen im Bett. In Kalifornien gibt es das nie. Hier ist immer Sommer. – Spätsommer.«
    Er hob den Kopf vom Kissen.
    »Mein Körper kann sich nicht daran gewöhnen. In meinem Blute regnet und schneit es, schmilzt und wallt auf, friert und taut … Er ist wie diese Muscheln, die sich bei Flut und Ebbe öffnen und schließen, sogar wenn sie tausend Meilen vom Meer entfernt in einem Faß voller Wasser schwimmen. Hier gibt es keinen Schnee. Weißt du überhaupt, was für ein Geräusch ein roter Pfeilschlitten vor deinem Magen macht, wenn du einen guten Start hast bei der Wettfahrt und einen eisbedeckter Abhang hinunterjagst?«
    Er ließ ihre Brüste los, faßte höher und betastete die kühlen Porzellanperlen ihrer Halskette.
    »Die gewaltigste Erregung, die ich jemals bei einem Menschen weiblichen Geschlechts empfunden habe, war im Schnee. Dies kleine Mädchen und ich, wir waren beide ungefähr sieben Jahre alt, sind gleichzeitig von unseren Schlitten gefallen. Und als wir wieder aufstanden, berührten sich unsere Wangen. Nichts als das. Genauso ist es gewesen, aber mich hat es so erregt und erschreckt, daß ich geweint habe.«
    Er begann die Perlen zu zählen.
    »Die Temperatur in Kalifornien ist ausgezeichnet, um Keime auszubrüten. Kleine psychische Käfer, die in deinem Gehirn nisten.«
    Er zog seine Beine an die Unterseite ihrer Oberschenkel hoch.
    »Weißt du auch, warum die Menschen sich im Dunkeln lieben? Damit sie einander nicht anlächeln müssen. Manche Dummköpfe lächeln sogar im Dunkeln. Ich zum Beispiel. Ich lächele so sehr, daß mir die Wangen wehtun. Zum Teufel auch, die Tiere wollen sich nicht einmal ansehen, wenn sie zusammenkommen, nur die Menschen legen ihre Nasen zusammen.«
    Er küßte ihr Ohrläppchen.
    »Das ist der große Vorteil, wenn man es so macht wie die Hunde. Man liegt nicht so, daß man sich gegenseitig ansieht und dabei versucht, darüber nachzudenken, was man sagen könnte. Stimmt’s? Jetzt bist du an der Reihe. Was ist deine Gleichung für diese dunkle Geometrie?«
    Er setzte an, um in sie einzudringen, doch ihr Atemgeräusch ließ ihn aufhören; es sprudelte ihr jetzt in kurzen Schnarchlauten aus der Kehle.
     
    Da er nicht imstande war, den Schmerz in seiner linken Schulter zu mißachten, öffnete er die Augen. Eine silberne Haarnadel in einem zerdrückten Aufbau orangefarbenen Haares. Warme, feuchte Haut, die sich gegen seine Knie preßte.
    Er befreite sich aus dem Bett und zog seine Shorts an, ehe er sich umwandte, um sie anzusehen. Ein Mädchen mit orangefarbenem Haar. Es schnarcht. Unter diesem Kissen lag wohl ein Gebirge voll brauner Sommersprossen. Und behaarte Beine. Falsch gedrehte Hüften. Ihre Brustmuskulatur war sicher schwach, und sie wusch ihren Büstenhalter wahrscheinlich nur einmal im Monat, wenn nicht noch seltener.
    Er ging in die Küche und zündete unter dem mit silbrigen Blasen bedeckten Kessel den Brenner an. Er beschloß, nicht zu duschen. Denn wer sie auch sein mochte, sie könnte davon aufgeweckt werden. Mit einem leichten Schlag stellte er das Transistorradio an, ging zum Ausguß und ließ kaltes Wasser über seine Handgelenke laufen. Waren sie nicht gestern abend beide zusammen in der Duschzelle gewesen? Nach dem Wein, vor dem Gin? Nancy … nein, Natalie. Sie hatte gesagt, daß sie Natalie hieße.
    Er sprühte eine Menge zitronenduftender Creme auf seine Wangen und rasierte sich; zwischendurch trank er in kleinen Schlucken Kaffee. Eine metallisch klingende Stimme im Radio sagte an, es sei sieben Uhr und fünfzehn Minuten, als er auf den Zehenspitzen zum Wandschrank ging. Er zog sich rasch an; er wählte einen seriösen braunen Anzug, ein kommerzielles weißes Hemd, einen dezenten rostbraunen Schlips mit schöpferischen Goldstreifen. Als er das schwarze Haar gekämmt und gebürstet hatte, bis es anlag wie ein zweiter Schädel, und die Schuhspitzen mit dem noch

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