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Wer den Tod begruesst

Wer den Tod begruesst

Titel: Wer den Tod begruesst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cindy Gerard
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Integrität oder Klasse. Der Designeranzug und der Hundert-Dollar-Haarschnitt konnten seine Scheinheiligkeit nicht kaschieren und auch nicht verhindern, dass sich Nolans Nackenhaare sträubten. Er notierte sich im Stillen, Ethan anzutreiben wegen des Berichts über Wellington.
    Und dann war da noch Erica.
    »Das Gleiche gilt für mich, Jillian«, meinte Erica, deren Blicke zwischen Jillian und ihm hin und her huschten. Sie lächelte, die Botschaft war klar und deutlich: Nenne Ort und Zeit, Tiger, ich bin da. »Das ist einfach schrecklich, aber ich muss schon sagen, es hat auch seine Vorteile, was? Ich meine, wenn ich gewusst hätte, dass Bodyguards in dieser Verpackung kommen, hätte ich schon vor langer Zeit einen engagiert.«
    Von einem Accessoire zu einem Vorteil. Was war nur mit diesen Frauen los?
    »Diesen hier kannst du gern haben«, bot Jillian ihr freundlich an.
    »Immer einen Scherz auf den Lippen, unsere Jillian.« Nolan ergriff fest Jillians Ellbogen und führte sie zum Nachrichten-Set und weg von Erica, die ihnen, immer noch lächelnd, hinterhersah. Irgendetwas war an dieser Frau, das ihm trotz ihrer sanften, braunen Augen und der Aura einer Sexbombe sagte: Raubtier.
    »Auf die passen Sie besser auf«, warnte er sie leise.
    »Das ist Ihr Job.«
    Sie wollte ihn eigentlich zurechtweisen. Stattdessen hatte sie unbeabsichtigt seine Rolle bestätigt. »Endlich haben Sie es begriffen.«
    Im Laufe des Tages komplettierte Nolan seine schweigende Bestandsaufnahme der gesamten kunterbunten Mannschaft und entschied, dass es nur wenige in diesem Haufen gab, die nicht wie aufgeblasene Egomanen und potenzielle Psychokiller auf ihn wirkten. Jillian hatte aufgrund ihres Jobs notgedrungen mit allen zu tun. Während die meisten hilfsbereit und anscheinend freundlich waren, entgingen ihm nicht die vielen Untertöne, die auf die unterschiedlichsten Motivationslagen im Studio hinwiesen.
    Der Konkurrenzkampf im TV-Nachrichtengeschäft schien gewaltig zu sein.
    Wellington galt selbstredend als verdächtig. Jillian bedrohte seine verblassende Karriere. Er hatte sowohl ein Motiv als auch – durch die Nähe zu ihr – hinreichend Gelegenheiten. Erica Gray, der scharfen Wetterfee, die Jillian offensichtlich nicht leiden konnte, ihr aber in den Hintern kroch, fügte er noch Jody Bentley hinzu. Blutjung und gerade erst vom College, war Jillians Wochenendersatz mit dem Jacketkronenlächeln und dem Journalistenabschluss einfach ein wenig zu munter, ein wenig zu sehr Die-immer-hilfsbereiteund-zuvorkommende-Jody, als dass es aufrichtig war. Seiner Ansicht nach steckte unter so viel Zuckerguss wahrscheinlich eine harte Schale. Außerdem wollte sie bestimmt Jillians Job haben. Wer konnte schon wissen, welche zweifelhaften Methoden sie anwenden würde, um ihn zu bekommen?
    Lydia blieb ihm ein Rätsel. Sie kam gegen Mittag nach ihrer Journalistenschule und bot Jillian wie auch jedem anderen, der sie einsetzen wollte, ihre Hilfe an. Am späten Nachmittag war sie bestimmt zum hundertsten Mal hereingehuscht, hatte ihn scheu angelächelt und einen weiten Bogen um ihn gemacht. Sie schien ständig an Jillians Seite zu sein, bereit, dies und das zu erledigen, hatte immer schnell ein Lächeln parat, wenn Jillian sie bei einer Formulierung oder einem Manuskript um ihre Meinung bat.
    »Ist Ihnen schon mal aufgefallen, wie sie Sie mit ihren Blicken verfolgt?« Alte Augen, dachte er, für jemand, der noch so jung war.
    Jillian blinzelte, dann folgte sie seinem Blick zu Lydia, die sich den Weg zur Kaffeemaschine bahnte. »Vergessen Sie es«, sagte sie. »Lassen Sie sie einfach in Ruhe.«
    »Also, was ist mit ihr?«, fragte er und überhörte Jillians Aufforderung und den schweren Seufzer, der sie begleitete.
    »Sie ist einfach ein nettes Kind mit der Sehnsucht, etwas aus sich zu machen. Es geht Sie zwar nichts an, aber Lydia hatte eine ziemlich harte Kindheit; ihre Mutter war meistens krank. Sie ist letztes Jahr gestorben.«
    »Woran?«
    »An einer Überdosis.«
    Ah, das war also die Verbindung und der Grund dafür, dass Jillian sich so schützend vor Lydia stellte. Da Jillians eigene Mutter selber ständig gegen Depressionen kämpfte, konnte sie sich gut in Lydias Lage versetzen.
    »Was ist mit dem alten Herrn?«
    »Sie vergöttert ihn. Redet unaufhörlich von ihm. Hören Sie, ich habe sie vor einigen Monaten bei Diät-Cola und Sandwiches kennen gelernt, während wir einen Beitrag für die Elf-Uhr-Nachrichten redigiert haben. Vertrauen Sie mir. Sie ist

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