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Wer hat Angst vorm bösen Mann?

Wer hat Angst vorm bösen Mann?

Titel: Wer hat Angst vorm bösen Mann? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Borwin Bandelow
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gewarnt hat, als Sie in Zschadraß enttarnt wurden?»
    «Ja, aber das wusste ich ja selbst, dass das passieren würde. Und eine Strafrichterin in Esslingen tat das auch, die war bei meiner Bewerbung als Oberarzt in Zschadraß von vornherein eingeweiht und hat mich sogar dazu ermutigt.»
    «Sie werden in der Antipsychiatriebewegung als Held gefeiert», konstatiere ich.
    «Richtig», entgegnet Postel, «die ‹Irren-Offensive› in Berlin macht das. Die Leute dort sind manchmal zu überpointiert. Und die Scientology-Leute schrieben mir, sie würden mich vor ihren Karren spannen wollen. Ich lehnte dies aber ab, mit denen will ich nichts zu tun haben.»
    «Aber mussten Sie in Ihrer Tätigkeit nicht auch Menschen ihrer Freiheit berauben oder anordnen, dass sie Medikamente gespritzt bekommen – gegen ihren Willen?», forsche ich weiter nach.
    «Ich war gegen eine repressive Psychiatrie, also zum Beispiel dafür, dass erregte Patienten eine Sitzwache bekamen, anstatt sie festzubinden. Tendenziell wollte ich Medikamente auch eher reduziert haben. Aber die klassischen Sachen sind ohne Veränderungen weitergelaufen», räumt Postel ein.
    «Als Vierzehnjähriger waren Sie kurz in einer psychiatrischen Klinik. Sie waren wegen eines schlechten Zeugnisses von zu Hause weggelaufen. Was war damals passiert?»
    Postel wird nachdenklich. «Ich war früher sehr schüchtern und hatte kein übermäßig entwickeltes Selbstbewusstsein. Ich konnte mich zum Beispiel nicht öffentlich vor Menschen äußern, das war schwierig. Und ich hatte panische Angst vor dem Alleinsein. Ich dachte immer, ich muss mich wichtigtun, um anerkannt zu werden. Ich hab mal zu Hause erzählt, ich hätte Willy Brandt getroffen und er hätte mit mir gesprochen – und da war ich dann irgendwie wichtig. Also aus eigentlich traurigen Gründen habe ich das erzählt, nicht aus Lust an der Lüge.»
    «Sie hatten unter Depressionen gelitten?»
    «Noch heute lebe ich im Spannungsfeld der Extreme, zwischen ganz tief und ganz hoch. Manchmal würde ich mich auch als suizidal bezeichnen. Als ich meine Bewerbung für Zschadraß abgeschickt hatte, ging es mir plötzlich besser. Es war täglich narzisstische Zufuhr zu verzeichnen, das ist ein High-Gefühl, ein bisschen wie eine Droge.»
    «Psychiater haben Sie in Gutachten als ‹narzisstische Persönlichkeit› bezeichnet. Würden Sie dem zustimmen?»
    «Ich und narzisstisch?» Postel überlegt einen Moment, dann schüttelt er den Kopf und sagt: «Nein. Ich neige nicht zu solchen Etikettierungen. Ich bin eher melancholisch, pessimistisch. Nach dem Tod meiner Mutter habe ich viel gelitten.»
    «Hat der Ihre Meinung zur Psychiatrie geprägt?»
    «Meine Mutter hat sich plötzlich suizidiert, als ich zwanzig war. Sie hatte einen Geliebten, der kurz vorher gestorben war, außerdem hatte sie den Tod ihrer eigenen Mutter zu beklagen. Ein Psychiater hatte ihr ein antriebssteigerndes Mittel gegeben, das nicht ausreichend depressionslösend war. Vielleicht wollte ich daher Rache an den Psychiatern nehmen.»
    Ich frage ihn nach der Zeit im Gefängnis.
    «Ich hatte panische Angst vorm Gefängnis», gesteht Postel. «Aber ich habe nicht gelitten, als ich dort war. Ich hatte irgendwie eine Sonderstellung, und ich bin sehr respektvoll, liebenswürdig und menschlich behandelt worden. ‹Das Bad ist angerichtet, Herr Doktor›, sagte ein Justizbeamter immer zu mir. Das Gefängnis ist nur dann grausam, wenn man über keine eigene Gedankenwelt verfügt. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass die eigentliche Welt des Menschen die innere ist. Wer permanent auf äußere Reize angewiesen ist, kann eigentlich nur als armes Schwein bezeichnet werden. Ich war in der Haft mit dem Philosophen Schopenhauer beschäftigt gewesen, ich habe zweimal die fünf Bände durchgearbeitet, dazu die Werke von Stendhal, Goethe und Shakespeare. Außerdem habe ich mein Buch geschrieben.»
    Das klingt alles sehr abgeklärt. Deshalb will ich Postel eine selbstkritische Äußerung entlocken und frage: «Haben Sie nicht manchmal ein schlechtes Gewissen gehabt? Sie haben immerhin womöglich wohlwollende und vertrauensvolle Leute getäuscht, angelogen, geschädigt oder blamiert.»
    «Natürlich. Ich habe auch Menschen enttäuscht, die es wirklich gut gemeint haben. Das ist bitter, und man kann daraus nur Konsequenzen ziehen und lernen.»
    «Werden Sie noch einmal hochstapeln?»
    «Keineswegs. Das finde ich jetzt intellektuell völlig öde, das empfinde ich nicht mehr als

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