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Wer hat Angst vorm boesen Wolf

Wer hat Angst vorm boesen Wolf

Titel: Wer hat Angst vorm boesen Wolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Fossum
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wie Sie jetzt auf diesem Sofa sitzt und mich fragt: Glaubst du, daß ich es war?«
    Dr. Struel war Mitte Vierzig. Blond und eckig, mit sehr kurz geschnittenen Haaren und langem Pony. Ihr Gesicht wirkte im Vergleich zu ihrer kräftigen Gestalt überraschend feminin, sie hatte runde Wangen mit haarfeinem Flaum, das sah er im Sonnenlicht, das unbarmherzig durch das Fenster drang. Sie trug Jeans und eine weiße Bluse, unter den Armen hatte sie feuchte Flecken. Jetzt strich sie sich die Haare aus der Stirn, doch der lange Pony wogte sofort wie eine blonde Welle zurück.
    Sejer setzte sich gerade. »Ich würde gern sein Zimmer sehen.«
    »Das liegt im Erdgeschoß. Ich führe Sie hin. Aber sagen Sie mir noch - wie ist sie ermordet worden?«
    »Sie wurde mit einer Unkrauthacke erschlagen.«
    Dr. Struel verzog kurz das Gesicht. »Das paßt nicht besonders gut zu Errki und seinem verschlossenen Wesen.«
    »Das würde jeder sagen, der an ihn glaubt und sich für ihn verantwortlich fühlt.«
    Er stand auf und wischte sich den Schweiß von der Stirn.
    »Verzeihung, aber ich sitze genau in der Sonne. Darf ich mich woanders hinsetzen?«
    Sie nickte, und er ging zu ihrem Schreibtisch, vor dem ein Holzstuhl stand. Und dabei sah er die Kröte. Sie lag hinter einem Papierstapel auf der Lauer. Groß und fett, oben graubraun, unten heller. Sie bewegte sich nicht, selbstverständlich nicht, sie war ja nicht echt, aber es hätte ihn nicht überrascht, wenn sie plötzlich einen Satz gemacht hätte, so natürlich sah sie aus. Neugierig hob er sie hoch. Dr. Struel beobachtete ihn und lächelte. Die Kröte war seltsam kalt, obwohl es doch so heiß war. Vorsichtig drückte er sie zusammen und begriff. Sie war mit einer Art Gelee gefüllt und konnte deshalb in andere Formen gepreßt werden. Das machte er nun, wenn auch vorsichtig. Er konnte den Inhalt des Rumpfes in die dünnen Beine drücken. Jetzt war die Kröte restlos deformiert und sah aus wie eine Mißgeburt. Er quetschte weiter daran herum. Merkte, daß sie zwischen seinen Händen langsam warm wurde.
    Die Augen der Kröte starrten ihn an. Sie waren blaßgrün und hatten einen schwarzen Strich. Der Rücken war rauh und uneben, am Bauch war sie ziemlich glatt. Er drückte unten zu und quetschte den gesamten Inhalt in den Oberkörper. Jetzt sah die Kröte ausgesprochen athletisch aus, mit breiten Schultern und strotzendem Brustkasten.
    Danach versuchte er eine andere Variante. Der Inhalt wurde in den Bauch gedrückt, und der Kopf hing schlaff wie ein Stofflappen zur Seite. Er legte die Kröte auf den Tisch. Das Gelee glitt nicht, wie er erwartet hatte, zurück in die ursprüngliche Form. Er hob den Klumpen noch einmal hoch und versuchte nach besten Kräften, die alte Gestalt wiederherzustellen. Als die Kröte wieder krötenhaft aussah, legte er sie an ihren alten Platz.
    »Witzig«, sagte er leise.
    »Nützlich«, sagte Dr. Struel und strich der Kröte über den Rücken.
    »Was machen Sie damit?«
    »Sie ist zum Anfassen da, wie Sie das gerade gemacht haben. Und die Art, wie Sie sie anfassen, verrät mir etwas über Ihr Wesen.«
    Er schüttelte den Kopf. »Das nehme ich Ihnen nicht ab.«
    Sie lächelte jetzt fast mütterlich. »Doch, wirklich. Es sagt mir etwas darüber, wie ein Mensch Dinge angeht. Sie zum Beispiel.«
    Er hörte ihr skeptisch zu, war aber zugleich von ihrer Stimme gefangen.
    »Sie haben sie ganz vorsichtig hochgehoben und sich die Sache erst überlegt, ehe Sie zugedrückt haben. Als Sie gesehen haben, daß sie ihre Form ändert, haben Sie alle Möglichkeiten durchgespielt. Viele finden solche Kröten widerlich, Sie nicht. Die Art, wie Sie den Kopf schräggelegt haben, als Sie ihr in die Augen schauten, sagt mir, daß Sie den Seltsamkeiten des Lebens offen und freundlich gegenübertreten. Sie haben vorsichtig gedrückt, fast zärtlich, als ob Sie Angst hätten, die Kröte könne platzen. Aber das kann sie nicht. Das garantiert zumindest der Hersteller. Falls Sie nicht ungewöhnlich scharfe Fingernägel haben oder so«, fügte sie hinzu. »Aber Sie haben ziemlich schnell aufgehört, so als hätten Sie Angst, die Sache könnte sich zu einem gefährlichen Spiel entwickeln. Und nicht zuletzt: Sie haben sie sorgfältig in ihre alte Form zurückgedrückt, ehe Sie sie weggelegt haben.«
    Sie machte eine Pause und blickte ihn lange an. »Das sagt mir, daß Sie ein vorsichtiger Mann sind, aber durchaus über Neugier verfügen. Sie sind außerdem ein wenig altmodisch und haben Angst

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