Noch einmal mit viel Gefuehl

1. KAPITEL
    Endlich war es doch noch geschehen! Taj Ahmad, Herrscher von Rahat, wagte kaum zu atmen, aus Angst, auf eine Fata Morgana hereinzufallen. Unzählige Male hatte er es sich in seinen Träumen ausgemalt. Halb verborgen im Schatten auf der leeren Empore des Ballsaals, überstrahlte sie alle mondänen Schönheiten.
    Taj hatte nur noch Augen für Angelina Carpenter. Doch in keiner seiner Fantasien hatte sie so ausgesehen: das Haar zum schlichten Pferdeschwanz zurückgebunden, in lässigen Jeans, die ihrer herausfordernden Weiblichkeit allerdings keinen Abbruch taten. Dabei war dies ein Event von herausragender gesellschaftlicher Bedeutung – Prinz Alessandro Santinas Verlobungsfeier.
    Und die berühmte Erbin einer Öldynastie trug Jeans und T-Shirt!
    Der ganzen Party haftete etwas Surreales an, was hauptsächlich am Auftreten des unkonventionellen Jackson-Klans lag. Prinz Alessandros zukünftige Verwandtschaft besaß offenbar eine ausgeprägte, geradezu melodramatische Neigung zu peinlichen Auftritten. Und die Anwesenheit seiner wunderschönen Exverlobten, die so angegriffen und zerbrechlich wirkte, als würde sie jeden Moment zusammenbrechen, erhöhte die fast greifbare Spannung noch.
    Doch all das zählte plötzlich nicht mehr. Taj konnte sich ja kaum erinnern, warum er heute Abend überhaupt hergekommen war. Seine ganze Aufmerksamkeit war auf Angelina gerichtet.
    Sie beugte sich vor, und über die vielen wohlfrisierten Köpfe hinweg trafen sich ihre Blicke. Er sah, wie sie sich auf ihrem heimlichen Beobachtungsposten versteifte. Als sie die vollen Lippen öffnete, stockte ihm der Atem.
    „Taj …“ Eine aufreizende Blondine zupfte ihn mit rubinroten Nägeln am Smokingärmel, um seine Aufmerksamkeit zu gewinnen. „Besorgst du mir einen Drink?“
    Als er sich ihr zuwandte, zerbrach der magische Zauber, der ihn und Angelina wie in einen unsichtbaren Kokon eingewoben hatte. Erst jetzt nahm er Musik, Gespräche und die anderen Gäste wieder wahr. Seine unerwünschte Begleitung schürzte schmollend die grell geschminkten Lippen. Taj spürte ein Ziehen im Magen, allerdings nicht aus Lust, sondern vor heftigem Widerwillen.
    „Das werde ich nicht tun“, erwiderte er rüde, zog seinen Arm zurück und blickte erneut zur Empore hoch.
    Angelina war verschwunden.
    War sie doch nur eine Illusion gewesen? Eine Marter, um ihn zu verspotten und an das zu erinnern, was er nicht haben konnte?
    Unmöglich! Obwohl die Angelina in seinen sehnsüchtigen Fantasien kaum etwas mit dieser natürlichen, ungeschminkten Schönheit auf der Empore zu tun hatte. Selbst in seinen erotischsten Träumen war sie immer die verwöhnte reiche Erbin und schillernde Hochglanzbeauty gewesen.
    Während Taj sich rücksichtslos einen Weg durch den überfüllten Raum bahnte, liefen heiße Schauer über seinen Rücken. Auf seiner Oberlippe perlte feiner Schweiß. Wenn es keine versteckten Geheimgänge im Santina Palast gab, musste Angelina am Eingang des Ballsaals vorbeikommen. Heftig stieß er die Flügeltüren auf und stand kurz darauf am ganzen Körper bebend im leeren Korridor.
    Seit drei Jahren hatte er sie nicht mehr gesehen, und immer noch besaß Angelina Carpenter die Macht, ihn völlig aus der Fassung zu bringen.
    Als er zu seiner Linken ein gedämpftes Geräusch hörte, schlug er instinktiv die Richtung ein. Grundgütiger! Wie gut, dass ihn niemand dabei beobachtete, wie er einem Phantom hinterherjagte! Sein Herz schlug weit oben im Hals, als er um die Ecke bog und in einem weiteren endlos scheinenden Gang landete. Glücklicherweise gerade noch rechtzeitig, um einen flammend roten Haarschopf um die nächste Biegung verschwinden zu sehen.
    Taj fluchte unterdrückt und rannte los.
    Er konnte es nicht sein … oder schlimmer!
    Es war sogar mehr als wahrscheinlich, dass er es tatsächlich war. Der Mann, der seit drei Jahren ihre Nächte und jede Minute jedes einzelnen Tages beherrschte. Am ganzen Leib zitternd, lehnte sich Angelina an die kühle Steinwand und versuchte, ihren rasenden Atem zu kontrollieren.
    Taj …
    Bilder von den glücklichsten Momenten ihres Lebens zogen an ihrem inneren Auge vorbei: sein warmes Lächeln, als sie sich das erste Mal sahen … sein Versuch, mit Cowboyhut und typischem Westernreitstil als waschechter Texaner durchzugehen. Und dann der Abend, den sie in der Scheune auf der Ranch ihres Vaters verbrachten … die Nacht, in der sie sich ineinander verliebt hatten.
    Verzweifelt kämpfte Angelina gegen den