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Wer hat Angst vorm boesen Wolf

Wer hat Angst vorm boesen Wolf

Titel: Wer hat Angst vorm boesen Wolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Fossum
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ich. Du kriegst das Mars. Der Fettsack kriegt zum Dank einen Whisky.«
    Kannick schielte zu der Flasche auf der Fensterbank hinüber. Gegen einen Schluck Bier hatte er noch nie etwas gehabt. Er betrank sich überhaupt ganz gern, wenn es nicht zu schnell ging, aber Schnaps konnte er nicht leiden. Er schüttelte den Kopf. Die beiden anderen waren vollauf mit ihrer Schokolade beschäftigt, sie leckten und schmatzten wie Kinder. Mitten in seiner Verzweiflung hätte er gern gelacht, aber er brachte nur ein jämmerliches Schluchzen zustande.
    »Wir tun dir doch nichts«, sagte Errki und lächelte dabei ganz seltsam.
    »Das haben wir noch nicht besprochen«, wandte Morgan ein und schluckte.
    »Er hat nichts, was wir brauchen könnten. Abgesehen von der Schokolade.«
    »Vielleicht kann der Schmalzkringel uns helfen?« fragte Morgan.
    »Es geht ja doch alles zum Teufel. Mit oder ohne Jannick.«
    »Kannick«, sagte Kannick.
    Morgan wischte sich den Mund mit dem Handrücken ab.
    »Du möchtest sicher zurück zu Mama?«
    »Lieber nicht.«
    »Das nicht? Und wohin willst du dann?«
    »Nach Guttebakken.« Er klang jetzt trotzig, als habe er wieder Hoffnung gefaßt, doch nicht umgebracht zu werden. Daß die beiden mit solchem Eifer Schokolade verschlangen, machte sie um einiges menschlicher.
    »Und was ist Guttebakken?«
    »Erziehungsheim«, murmelte Kannick.
    Morgan grinste. »Na, dann sind wir ja allesamt aus dem gleichen Holz geschnitzt. Und was hast du in deinem jungen Leben schon verbrochen, daß du dort gelandet bist? Abgesehen davon, daß du dich überfressen hast?«
    »Das ist ein Stoffwechselfehler«, flüsterte Kannick.
    »Das hat meine Mutter auch gesagt, als sie es besonders
    schlimm getrieben hat. Trink einen Whisky, dann kommt dein Stoffwechsel schon in Gang.«
    »Nein, danke«, flüsterte Morgan.
    Er dachte an Margunn. Versuchte, sich vorzustellen, was sie gerade machte. Wie oft sie schon auf die Uhr geschaut hatte. Aber es würde noch eine Weile dauern, bis sie sich ernsthaft sorgte. Er blieb ja oft lange aus. Wahrscheinlich wurde sie erst gegen Abend aufmerksam. Sie wußte immerhin, daß er das Abendessen um acht Uhr niemals vergessen würde. Also würde sie gegen acht anfangen, aus dem Fenster zu schauen, und einige Zeit später würde sie Karsten und Philip zum Suchen losschicken. Bis dahin konnte so viel passieren! Der Abend war noch weit, einen Ozean von Zeit entfernt, und er war hier allein mit zwei Verrückten, von denen der eine einen Revolver hatte! Vor lauter Verzweiflung schielte er nun doch zur Whiskyflasche hinüber. Das bemerkte Morgan.
    »Greif zu. Wir sind alle nicht so zurückhaltend.«
    Und Kannick trank. Das war seine einzige Fluchtmöglichkeit. Der erste Schluck löste in seinem Inneren eine Explosion aus, die oben einsetzte und sich mit heftigem Brennen abwärts zum Magen arbeitete. Er schnappte nach Luft und wischte sich ein paar Tränen ab.
    »Noch drei oder vier Schluck«, sagte Morgan hilfsbereit, er saß auf dem Boden und leckte sich die Finger. »Das Wohlbefinden stellt sich dann nach und nach ein. Erzähl uns, wieso du im Erziehungsheim wohnst.«
    »Das weiß ich doch nicht«, sagte Kannick ein bißchen sauer, was er aber sofort bereute. Vielleicht war Morgan jetzt beleidigt.
    »Du hast also keine Ahnung, warum die Erwachsenen dich da reingesteckt haben? Du bist wirklich nicht sehr großzügig. Meinst du, ich mache meiner Mutter Vorwürfe, weil ich zum Bankräuber geworden bin? Meinst du, Errki macht seiner Mutter Vorwürfe, weil er alle möglichen Räder abhat?«
    Kannick blickte Morgan ganz schnell an. Bankräuber?
    »Du kannst es doch auf seinem T-Shirt lesen. Er schiebt die Schuld garantiert nicht >den anderen< zu.«
    Morgan hob die Augenbrauen. »Also hört euch das an. Willst du dich hier wichtig machen? Errki, verteidige dich, Mann.«
    »Werde ich angegriffen?« fragte Errki schlicht. Er war damit beschäftigt, einen Stein aus der Sohle seines Turnschuhs zu puhlen. Danach zog er den Schnürsenkel heraus. Damit wollte er sein Bein abbinden. Die Wunde blutete immer noch. Kannick wand sich auf dem Sofa, er hatte es ganz und gar belegt und quoll wie ein Pudding über die Kanten; wenn er sich bewegte, ächzten die Federn. Morgan fühlte sich plötzlich schwindlig und benommen. Was machten sie hier eigentlich? Wie lange sollten sie so noch herumsitzen? Aus irgendeinem Grund konnte er die Vorstellung, allein gelassen zu werden, nicht ertragen. Es wäre schrecklich, wenn sie gefunden und

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