Wer Hat Angst Vorm Zweiten Mann
haben.
Statt einer Antwort loggte sich Cosima mit einem Benutzernamen auf der Webpage ein und klickte auf ein Bild.
»So sieht er aus«, sagte sie und drehte den Laptop in meine Richtung.
Das Bild zeigte einen muskulösen Mann mit Sonnenbrille, der lässig an einem Audi-Kombi lehnte. Wegen der Unschärfe des Fotos war sein Gesicht aber kaum zu erkennen.
»Ich hab dich schon mal ins Netz gestellt«, fuhr Cosima fort und klickte sich auf »meine« Profilseite, wo ich las:
Attraktive, schlanke Secondella, 36, mit braunen Korkenzieherlocken, leuchtend grünen Augen, drei Kindern, einem Hund und zwei Schildkröten sucht …
»Bist du wahnsinnig geworden?«, rief ich. »Der Text ist total peinlich!«
Abgesehen davon waren mir Internet-Dates suspekt. Zum einen fand ich die Vorstellung unangenehm, jemandem gegen überzusitzen, der mir in der virtuellen Welt etwas von sich preisgegeben hatte, bevor ich ihm das erste Mal in die Augen gesehen hatte. Zum anderen war mir der Gedanke an eine Art Bewerbungssituation zuwider, bei der mich der Mann durch sein persönliches Raster laufen ließ:
•Sie ist mein Typ: ja – nein;
•Ich kann mir mit ihr was Festeres vorstellen: ja – nein;
•Ich kann sie mir als Affäre vorstellen: ja – nein – nur in Dürrezeiten.
Cosima überhörte meinen Protest, drückte mir ein knallrotes Tuch als Erkennungszeichen in die Hand und erklärte mir, mein Tarnname sei »Susanne«.
»Jetzt geh, sonst kommst du zu spät«, sagte sie, drückte mir meine schwarze Bikerjacke in die Hand, die ihrer Mei nung nach perfekt zu meinem bunt gemusterten Hippie-Sty le-Rock und dem weißen T-Shirt passte, und drängte mich zur Tür. »Ich bleib hier und pass auf die Kinder auf. Solange du willst.«
Nervös setzte ich mich im Anita Wronski draußen an einen Tisch, nahm das rote Tuch aus meiner Tasche und legte es vor mich. Sekunden später stand ein Mann zwei Tische weiter auf und kam auf mich zu.
»Susanne?«, fragte er und lächelte mich breit an.
Ich nickte.
»Ich hab dich gleich an deinen Locken erkannt.«
»Früher haben mich die Jungs gefragt, ob ich sie mir unter den Armen ausgerissen und an den Kopf geklebt hätte«, sagte ich, um die Stimmung aufzulockern.
Bernd grinste gezwungen und setzte sich mir gegen über.
Ich musterte ihn, während er die Karte studierte. Bernd schien etwas älter zu sein als ich, hatte mittelbraunes Haar und trug ein blaues Hemd, Jeans und teure Lederschuhe. Er sieht nicht schlecht aus, dachte ich und sah mich im Geiste schon in einer unwiderstehlichen Drei-Wetter-Taft-Dynamik: Als Architektin erfolgreich im Geschäft, daneben gesunde und glückliche Kinder plus einen coolen Lover, nach dem sich andere Frauen neidisch umdrehen würden.
»Hast du Lust auf Wein?«, fragte Bernd zuvorkommend.
»Ja, gern einen Riesling.«
Er bestellte eine Flasche und schnupperte mit Kennermiene am Korken, bevor er den Wein kauend probierte und für astrein befand.
Meine anfängliche Scheu vor dem Internet-Blind-Date war verflogen. Mit Bernd an einem Tisch zu sitzen und ihn kennenzulernen, fühlte sich nicht anders an, als hätte er mich auf einer Party angesprochen und in ein Gespräch verwickelt.
Auf meine Frage nach seinem Beruf erfuhr ich, dass er im Marketingteam bei eBay arbeitete. Themen rund ums Marketing interessierten mich eigentlich nicht besonders. Um unser beginnendes Gespräch nicht wieder abebben zu lassen, fragte ich dennoch genauer nach, woraufhin Bernd mir alles Mögli che über Vermarktungsstrategien, Produktintegrationen, Ak quisen strategischer Partner und sein Werbekundenportfolio berichtete.
»Und was machst du beruflich?«, erwiderte er schließlich meine Frage.
»Ich bin Architektin und auf Jobsuche«, antwortete ich wahrheitsgemäß. »In den letzten Jahren saß ich in einer Art Zehlendorfer Gefängnis und konnte nicht arbeiten.«
»Wie meinst du das?«
Bernd schenkte mir noch ein Glas Wein nach.
»Na ja«, sagte ich und suchte nach dem Anfang meiner Misere. »Mein Exmann Mark und ich haben uns kennengelernt, als wir beide Mitte zwanzig waren. Damals hatten wir ganz ähnliche idealistische Vorstellungen von unserer Zukunft, und es stand für uns völlig außer Frage, dass wir auch dann weiter als Anwalt für Gesellschaftsrecht und Architektin arbeiten würden, wenn wir Kinder hätten. Unsere Kinder sollten sich in unsere bestehenden Leben einfügen und nicht zu deren Sinnstiftern werden.«
»Doch dann kam alles anders?«, hakte Bernd
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